Ich komme nunmehr auf den zweiten Einwand. Rührende Komödien, sagt man, widersprechen sich selbst, denn eben deswegen, weil sie rühren wollen, können entweder die Laster und Ungereimtheiten der Menschen darin nicht zugleich belacht werden, oder wenn beides geschieht, so sind es weder Komödien noch Tragödien, sondern ein drittes, das zwischen beiden liegt und von dem man das sagen könnte, was Ovidius vom Minotaurus sagte:

Semibovemque virum, semivirumque bovem

Dieser ganze Tadel kann, glaube ich, sehr leicht durch diejenigen Beispiele nichtig gemacht werden, die unter den dramatischen Dichtern der Franzosen sehr häufig sind. Denn wenn Destouches, de La Chaussée, Marivaux, Voltaire, Fagan und andere, deren Namen und Werke längst unter uns bekannt sind, dasjenige glücklich geleistet haben, was wir verlangen, wenn sie nämlich, mit Beibehaltung der Freude und der komischen Stärke, auch Gemütsbewegungen am rechten Ort angebracht haben, die aus dem Innersten der Handlung fließen und den Zuschauern gefallen; was bedarf es dann noch für andere Beweise? Doch wenn wir auch ganz und gar kein Exempel für uns anführen können, so erhellt wenigstens aus der verschiedenen Natur derjenigen Personen, die der Dichter auf die Bühne bringt, dass sich die Sache ganz gut tun lasse. Denn da wo den bösen Sitten ganz füglich gute entgegengesetzt werden können, damit durch die Annehmlichkeit der letzteren die Hässlichkeit der ersteren sich desto mehr ausnimmt. Und da diese rechtschaffenen und edlen Gemütsarten, wenn sie sich hinlänglich äußern sollen, in schwere und eine Zeitlang minder glückliche Zufälle, bei denen sie ihre Kräfte zeugen können, verwickelt sein müssen, so darf man nur diese mit dem Stoff der Fabel verbinden und einflechten, wenn diejenige Komödie, die sich am meisten mit Verspottung der Laster beschäftigt, nichtsdestoweniger die Gemüter der Zuhörer durch ernsthaftere Rührungen vergnügen soll.