Text-Suche

Wer ist online

56 Gäste online.

Noch nicht registriert oder angemeldet. Hier registrieren.

Sammlung: Büchner, Briefe 1835-1836

13 An die Familie

1835-08, Georg Büchner

<- vorheriger Text nächster Text ->

Persönlich Redigiert

Straßburg, Anfangs August 1835

Vor allem muß ich Euch sagen, daß man mir auf besondere Verwendung eine Sicherheitskarte versprochen hat, im Fall ich einen Geburts-(nicht Heimats-)schein vorweisen könnte. Es ist dies nur als eine vom Gesetze vorgeschriebene Förmlichkeit zu betrachten; ich muß ein Papier vorweisen können, so unbedeutend es auch sei ... Doch lebe ich ganz unangefochten; es ist nur eine prophylaktische Maßregel, die ich für die Zukunft nehme. Sprengt übrigens immerhin aus, ich sei nach Zürich gegangen; da Ihr seit längerer Zeit keine Briefe von mir durch die Post erhalten habt, so kann die Polizei unmöglich mit Bestimmtheit wissen, wo ich mich aufhalte, zumal da ich meinen Freunden geschrieben, ich sei nach Zürich gegangen.

Es sind wieder einige Flüchtlinge hier angekommen, ein Sohn des Professor Vogt ist darunter. Sie bringen die Nachricht von neuen Verhaftungen dreier Familienväter! Der eine in Rödelheim, der andere in Frankfurt, der dritte in Offenbach. Auch ist eine Schwester des unglücklichen Neuhof, ein schönes und liebenswürdiges Mädchen, wie man sagt, verhaftet worden. Daß ein Frauenzimmer aus Gießen in das Darmstädter Arresthaus gebracht wurde, ist gewiß; man behauptet, sie sei die ... Die Regierung muß die Sache sehr geheimhalten, denn Ihr scheint in Darmstadt sehr schlecht unterrichtet zu sein. Wir erfahren alles durch die Flüchtlinge, welche es am besten wissen, da sie meistens zuvor in die Untersuchung verwickelt waren. Daß Minnigerode in Friedberg eine Zeitlang Ketten an den Händen hatte, weiß ich gewiß; ich weiß es von einem, der mit ihm saß. Er soll tödlich krank sein; wolle der Himmel, daß seine Leiden ein Ende hätten! Daß die Gefangenen die Gefangenkost bekommen und weder Licht noch Bücher erhalten, ist ausgemacht. Ich danke dem Himmel, daß ich voraussah, was kommen würde; ich wäre in so einem Loch verrückt geworden.

In der Politik fängt es hier wieder an, lebendig zu werden. Die Höllenmaschine in Paris und die der Kammer vorgelegten Gesetzentwürfe über die Presse machen viel Aufsehn. Die Regierung zeigt sich sehr unmoralisch, denn obgleich es gerichtlich erwiesen ist, daß der Täter ein verschmitzter Schurke ist, der schon allen Parteien gedient hat und wahrscheinlich durch Geld zu der Tat getrieben wurde, so sucht sie doch das Verbrechen den Republikanern und Carlisten auf den Hals zu laden und durch den momentanen Eindruck die unleidlichsten Beschränkungen der Presse zu erlangen. Man glaubt, daß das Gesetz in der Kammer durchgehen und vielleicht noch geschärft werden wird. Die Regierung ist sehr unklug: in sechs Wochen hat man die Höllenmaschine vergessen, und dann befindet sie sich mit ihrem Gesetz einem Volke gegenüber, das seit mehreren Jahren gewohnt ist, alles, was ihm durch den Kopf kommt, öffentlich zu sagen. Die feinsten Politiker reimen die Höllenmaschine mit der Revue in Kalisch zusammen. Ich kann ihnen nicht ganz unrecht geben: die Höllenmaschine unter Bonaparte! der Rastatter Gesandtenmord!! ... Wenn man sieht, wie die absoluten Mächte alles wieder in die alte Unordnung zu bringen suchen, Polen, Italien, Deutschland wieder unter den Füßen — es fehlt nur noch Frankreich; es hängt ihnen immer wie ein Schwert über dem Kopf. So zum Zeitvertreib wirft man doch die Millionen in Kalisch nicht zum Fenster hinaus. Man hätte die auf den Tod des Königs folgende Verwirrung benutzt und hätte gerade nicht sehr viele Schritte gebraucht, um an den Rhein zu kommen. Ich kann mir das Attentat auf keine andere Weise erklären. Die Republikaner haben erstens kein Geld und sind zweitens in einer so elenden Lage, daß sie nichts hätten versuchen können, selbst wenn der König gefallen wäre. Höchstens könnten einige Legitimisten hinein verwickelt sein. Ich glaube nicht, daß die Justiz die Sache aufklären wird.
 

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 712
  • Hinzugefügt am 30. Mär 2012 - 18:26 Uhr

Aufrufe: 18 | Downloads: 0

<- vorheriger Text nächster Text ->

Verwandte Suchbegriffe

Georg, Büchner, Straßburg, 1835, Freiheit, Vormärz, Biedermeier, Gesellschaft, Deutschland, 19., Jahrhundert, Rechtsbruch, Willkür, Autokratie, politische, verfolgung, unterdrückung, Frankreich

Einsteller: klassiker

Kommentieren

Noch keine Kommentare vorhanden.

 

Alle Texte der Sammlung "Büchner, Briefe 1835-1836"

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-03-09

01 An die Familie

mehr…

Verglichen mit: Büchners Werke in einem Band Aufbau-Verlag Berlin und Weimar     Weißenburg, den 9. März 1835 Eben lange ich

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-03

02 An Gutzkow

mehr…

Straßburg, März 1835 Verehrtester! Vielleicht haben Sie durch einen Steckbrief im »Frankfurter Journal« meine Abreise von Darmstadt erfahren.

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-03-27

03 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 27. März 1835 Ich fürchte sehr, daß das Resultat der Untersuchung den Schritt, welchen ich getan, hinlänglich rechtfertigen

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-04-20

04 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 20. April 1835 Heute morgen erhielt ich eine traurige Nachricht. — Ein Flüchtling aus der Gegend von Gießen ist hier

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-05-05

05 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 5. Mai 1835 Schulz und seine Frau gefallen mir sehr gut; ich habe schon seit längerer Zeit Bekanntschaft mit ihnen gemacht

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-05

07 An die Familie

mehr…

Straßburg, Mittwoch nach Pfingsten 1835 Was Ihr mir von dem in Darmstadt verbreiteten Gerüchte hinsichtlich einer in Straßburg bestehenden Verbindung

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-07

08 An Wilhelm Büchner

mehr…

Straßburg, im Juli 1835 Ich würde Dir das nicht sagen, wenn ich im entferntesten jetzt an die Möglichkeit einer politischen Umwälzung glauben

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835

09 An Gutzkow

mehr…

Straßburg, 1835 (?) Die ganze Revolution hat sich schon in Liberale und Absolutisten geteilt und muß von der ungebildeten und armen Klasse

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-07

10 An die Familie

mehr…

Straßburg, im Juli 1835 Ich habe hier noch mündlich viel Unangenehmes aus Darmstadt erfahren. Koch, Walloth, Geilfuß und einer meiner

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-07-16

11 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 16. Juli 1835 Ich lebe hier ganz unangefochten; es ist zwar vor einiger Zeit ein Reskript von Gießen gekommen, die Polizei scheint

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-07-28

12 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 28. Juli 1835 Über mein Drama muß ich einige Worte sagen. Erst muß ich bemerken, daß die Erlaubnis, einige

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-08

13 An die Familie

mehr…

Straßburg, Anfangs August 1835 Vor allem muß ich Euch sagen, daß man mir auf besondere Verwendung eine Sicherheitskarte versprochen hat, im

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-08-17

14 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 17. August 1835 Von Umtrieben weiß ich nichts. Ich und meine Freunde sind sämtlich der Meinung, daß man für jetzt alles der Zeit

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-09

15 An Gutzkow

mehr…

Straßburg, September 1835 Was Sie mir über die Zusendung aus der Schweiz sagen, macht mich lachen. Ich sehe schon, wo es herkommt. Ein Mensch,

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-09-20

16 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 20. September 1835 Mir hat sich eine Quelle geöffnet; es handelt sich um ein großes Literaturblatt, »Deutsche Revue« betitelt,

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-10

17 An die Familie

mehr…

Straßburg, im Oktober 1835 Ich habe mir hier allerhand interessante Notizen über einen Freund Goethes, einen unglücklichen Poeten namens Lenz,

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-11-02

18 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 2. November 1835 Ich weiß bestimmt, daß man mir in Darmstadt die abenteuerlichsten Dinge nachsagt; man hat mich bereits

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835-12

19 An Ludwig Büchner

mehr…

Dezember 1835 Prost Neujahr, Hammelmausl Ich höre, daß Du ein braver Junge bist, die Eltern haben ihre Freude an Dir. Mache, daß es immer

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1835

20 An Gutzkow

mehr…

Straßburg 1835 Sie erhalten hierbei ein Bändchen Gedichte von meinen Freunden Stöber. Die Sagen sind schön, aber ich bin kein Verehrer

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836-01-01

21 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 1. Januar 1836 Das Verbot der »Deutschen Revue« schadet mir nichts. Einige Artikel, die für sie bereit lagen, kann ich an den

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836-01

22 An Gutzkow

mehr…

Straßburg, Januar 1836 Mein Lieber! Ich weiß nicht, ob bei der verdächtigen Adresse diese Zeilen in Ihre Hände gelangen werden.

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836-03-15

23 An die Familie

mehr…

Straßburg, den 15. März 1836 Ich begreife nicht, daß man gegen Küchler etwas in Händen haben soll; ich dachte, er sei mit nichts

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836

24 An Gutzkow

mehr…

Straßburg 1836 Lieber Freund! War ich lange genug stumm? Was soll ich Ihnen sagen? Ich saß auch im Gefängnis und im langweiligsten unter der

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836-05

25 An die Familie

mehr…

Straßburg, im Mai 1836 Ich bin fest entschlossen, bis zum nächsten Herbste hier zu bleiben. Die letzten Vorfälle in Zürich geben mir

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836-06-01

26 An Eugen Boeckel

mehr…

Straßburg, den 1. Juni 1836 Mein lieber Eugen! Ich sitze noch hier, wie Du aus dem Datum siehst. »Sehr unvernünftig!« wirst Du sagen, und

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836-06

27 An die Familie

mehr…

Straßburg, im Juni 1836 Es ist nicht im entferntesten daran zu denken, daß im Augenblick ein Staat das Asylrecht aufgibt, weil ein solches

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836-09-02

28 An Wilhelm Büchner (?)

mehr…

Straßburg, den 2. September 1836 Ich bin ganz vergnügt in mir selbst, ausgenommen, wenn wir Landregen oder Nordwestwind haben, wo ich freilich

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836-09

29 An die Familie

mehr…

Straßburg, im September 1836 Ich habe meine zwei Dramen noch nicht aus den Händen gegeben; ich bin noch mit manchem unzufrieden und will nicht,

 

Prosa > Sachliteratur > BriefGeorg Büchner | in: Büchner, Briefe 1835-1836 | 1836-09-22

30 An Bürgermeister Hess

mehr…

Straßburg, 22. September 1836 Die politischen Verhältnisse Deutschlands zwangen mich, mein Vaterland vor etwa anderthalb Jahren zu verlassen.