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Sammlung: Adele Schopenhauer

Das Waldmärchen Teil 10

1797-1849, Adele Schopenhauer

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Die Dorfgemeinde war es herzlich zufrieden, den freundlichen jungen Herrn anzuerkennen, die Vettern aber, die wie die Galläpfel auf dem fetten Gutsboden saßen, wollten nicht weichen noch wanken, sondern verlangten beständig, dass man ihnen alles Mögliche und Unmögliche beschwöre.

Die Sache zog sich lange hin. Als aber der ganze Wald zu trauern begann, junge Bäume vom Wild geknickt, alte vom Sturm gebrochen wie Spreu hinsanken, als das Gras von der brennenden Hitze welkte und dann der Bach das Heu überschwemmte, als Verdruss auf Verdruss sich häufte, ja sogar die Waldvöglein nicht mehr sangen und in eine andere Gegend flogen, da gaben endlich die bösen Vettern nach und nahmen vom jungen Grafen eine schöne Entschädigungssumme an, mit der sie abzogen.

So wurde denn das Grafenkind in all seine alten Rechte wieder eingesetzt und bei der Feierlichkeit der Huldigung seiner Untertanen erklärte Elmrich, dass er das hübsche Waldrösel zu seiner Gemahlin erwählt habe, das Schloss aufbauen und darin wohnen werde, den nahe liegenden Teil des Waldes aber, auf dem die Eiche stand, zu einem Park machen wolle, in dem kein Tier weder gejagt, gefangen noch geschossen werden dürfe. Dagegen sollten alle Blumen und Bäume aufs sorgfältigste gepflegt werden.

Am Abend vor der Hochszeit führte Elmrich das Waldrösel vor die alte Eiche, erzählte nochmals die ganze seltsame Geschichte und beide dankten ihr gemeinschaftlich für den ihnen gewährten Schutz. Auf den Zweigen des alten Baumes saßen Elster und Kuckuck und jubelten laut. Da öffnete sich plötzlich die alte versunkene Erdgrube zu den Füßen des Stammes, gerade an der Stelle, auf der die drei Irrlichter die Nacht zugebracht hatten, und hervor stieg ein langer, langer Zug wenige Zoll hoher Bergknappen mit Schürze, Hammer, Schlägel und Grubenlicht versehen. Ihm folgten unzählige kleine barocke Gestalten, allen Ständen angehörend und im herrlichsten Putz, die trugen kleine Blumenkränze, nicht größer als ein Achtgroschenstück. Andere hatten winzige Beutel mit Gold, noch andere rotsamtne Kissen, die ihnen sehr schwer wurden, und auf jedem lag ein Edelstein zum Schmuck der schönen Braut. Es folgten kleine Musikanten, die alle möglichen Instrumente spielten und mit ganz feinen Stimmchen sangen. Dann kam eine Schar weißgekleideter fingerlanger Mädchen, die trugen alle an der Krone der Braut und hätte es der Anstand nicht verboten, manches hätte schwer geächzt unter der Last.

Die Sonne stand schon tief, als der kleine Zug aus dem Schacht und um den Baum herumgezogen war. Und obwohl die Bergknappen mit ihren Fackeln einen Kreis bildeten, mussten es die Zwerge doch noch nicht hell genug finden, denn auf ihren Wink strömten wohl an tausend Irrlichter aus allen Ecken und Enden des Waldes hervor und führten ein Ballett auf, das in einer Lichterpyramide endete. Der Sprecher des kleinen Volkes hielt eine lange Rede an das Brautpaar und übergab dem Waldrösel die kostbarsten Geschenke, mit denen es sich an seinem Ehrentag schmücken sollte. Hierauf trat der kleine Bergmann unter die Eiche, dankte auch ihr für die durch ihre Wurzeln hin erlaubte Fahrt und sprach zum Schluss über den Wald und die Aue, den Mann und die Frau und alles im Wachsen oder im Werden den mächtigen Segen des Geistes der Erden, der allem Lebendigen Gedeihen gibt.

Die Eiche aber fing an zu tönen, und ihre Klänge waren wie die eines überirdischen Gesanges, dann verhallten sie leise und immer leiser, indem zugleich auch nach und nach Fackeln, Zwerge und Irrlichter verschwanden.

Als sich der junge Graf besann und zum deutlichen Selbstbewusstsein kam, stand er mit seiner holden Braut im Erkerzimmer des Schlosses, aber vor ihnen lagen Gold und Juwelen, die Krone und der herrlichste Brautschmuck, den je eine Gräfin getragen hatte.

Und sie lebten lange und glücklich, die Eiche aber überlebte sie alle!

 

ENDE

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 8588
  • Hinzugefügt am 16. Sep 2021 - 19:21 Uhr

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Wald, Elf, Märchen, Adele, Schopenhauer

Einsteller: sophie-clark

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