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Sammlung: Adele Schopenhauer

Das Waldmärchen Teil 07

1797-1849, Adele Schopenhauer

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"Hab ich euch, Burschen!", tönte es donnernd hinter denselben, und mitten unter ihnen stand der greise Förster, fasste sogleich den ersten besten, warf ihn zu Boden und spannte den Hahn seiner Büchse. Der Alte hatte eine böse Nacht gehabt und eben das Fenster geöffnet, um frische Luft zu schnappen, als plötzlich leise ein Lufthauch den Ton des Futterglöckleins an sein geübtes Ohr trug. Er lauschte. Es wiederholte sich, und da er schon halb angekleidet war, stand er nach wenigen Augenblicken vor den Schelmen, als eben der Hirsch, von der Kugel des einen getroffen, zusammenbrach.

Der Förster war allein, die Diebe waren drei, das hatte der unerschrockene Mann nicht bedacht, und jetzt riß ihn der Zorn über alle Überlegung fort. Er fasste den zuerst Ergriffenen, riß ihn vor sich hin, setzte ihm den Fuß auf die Brust und drohte den anderen, auf sie zu schießen, wenn sie sich nicht ergäben. Die Wilddiebe hatten nur eine Flinte, deren Schuss eben den Hirsch erlegt hatte. Die Burschen erschraken und ergriffen die Flucht, worauf der Förster seinem zitternden und zähneklappernden Gefangenen aufzustehen und vor ihm herzugehen befahl, während er die gespannte Büchse auf ihn gerichtet hielt. Nun werde alles anders kommen und dem ganzen Raubgesindel solle mit einem Mal der Garaus gemacht werden. Man werde ihn schon zwingen, die Schlupfwinkel seiner Genossen zu verraten.

Die beiden andern Spitzbuben, die vorher geflohen waren, hatten sich nur wenige Schritte entfernt. Sie bemerkten, dass der Förster allein blieb, keiner seiner Burschen ihm folgte, und brachen, von seinen Reden aufs äußerste getrieben, aus dem Versteck hervor. Sie schossen auf den Förster. Unglücklicherweise hatte er ein Geräusch gehört. Er blickte sich um die Kugel ging durchs Herz, der alte Mann sank zusammen.

In diesem Augenblick kam Elmrich. Er gewahrte noch die Schelme auf der Flucht, wie sie mit dem Wild zwischen den Bäumen verschwanden, näherte sich, in der Hoffnung, eine Spur der Täter zu entdecken, und fand den eben verschiedenen Förster. Zu Tode  erschrocken, rief so laut er konnte um HIlfe – umsonst!

Allmählich war es Abend geworden, der Tag begann die Wipfel zu färben, da kamen die übrigen von der Kirchweih heimkehrenden Burschen des Weges. Elmrich hörte sie und rief ihnen. Aber ach! Anstatt seinen Worten zu glauben, hielten sie in halbem Rausch ihn selbst für den Mörder des Erschossenen und führten ihn der Dorfobrigkeit zu. Hier wurde er vernommen und bis auf weiteres in ein Unterzimmer des Schlosses, in eine Art Rumpelkammer, gesteckt. Denn zu zwei ganz gemeinen Dieben, die im eigentlichen Gefängnis saßen, wollte man ihn nicht sperren, bis er verhört worden war, was erst am folgenden Tag geschehen konnte, da der anbrechende ein Feiertag war.

Da lag nun der arme Schelm in einer schlechten Stube voll wunderlichen Gerümpels. Da der Festigkeit der Tür nicht recht zu trauen war, waren ihm die Arme rückwärts mit einem derben Strick zusammengebunden. Der Tag war draußen so sonnenhell und lustig, er aber saß betrübt, allein und elend, auf der harten Ofenbank und blickte sehnsüchtig durch das vergitterte Fenster in den frischen, frohen Wald. Sein Mut war sehr gesunken, und er sann über die Möglichkeit, seine Unschuld zu beweisen, als er die deutlichen Worte: ›Vertraue auf Gott! Vertraue auf Gott!‹ dicht neben sich vernahm. Es war eine fromme Wachtel, die durch eine zerbrochene Scheibe zu ihm niedersah. Er blickte sie freundlich dankend an und dachte: Gutes Tier, habe manchen deiner nächsten Verwandten mit meiner Vogelflinte niedergeschossen, es soll aber nicht wieder geschehen. Ich will deines trostreichen Sprüchleins gedenken! Und somit legte er sich auf die Ofenbank, um ein Stündchen zu schlafen.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 8584
  • Hinzugefügt am 14. Sep 2021 - 08:39 Uhr

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Wald, Elf, Märchen, Adele, Schopenhauer

Einsteller: sophie-clark

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