Die Vorlesung war beendet.

»Vortrefflich!«, sagte der Professor. Der Autor verneigte sich gegen ihn und die übrige in weitem Kreis ihn umgebende Gesellschaft und faltete sein Manuskript zusammen.

»Ein deliziöses Märchen! Charmant! Höchst originell!«, versicherten die Damen. Die Wirtin des Hauses bedankte sich beim Autor, der Autor bedankte sich bei den Damen.

»Ein Märchen?«, fragte ein junger Mann. »Ich hätte das eher für eine Allegorie gehalten.«

»Nun«, erwiderte ein ältliches Fräulein, »ist denn das Märchen etwas anderes als ein buntes, die wirklichen Gegenstände magisch färbendes Glas, durch das wir die uns bekannte Welt erblicken? Und ist das nicht eine Art Allegorie?«

»Ah so!«, sagte der junge Mann. »Ich hatte mir etwas anderes darunter gedacht.«

»Bei alldem«, sprach ein wohlwollender Kritiker, »liegt eine unergründliche Tiefe der Anmut in der Konzeption dieses Märchens und seiner fernen blauen Zauberberge.«

»Freund!«, erwiderte der Dichter, »ein Märchen ist überhaupt immer die blaue Blume, die uns das blaue Wunder erschließt.«

»Ich hatte mir aber dennoch etwas anderes gedacht«, wiederholte der junge Mann vor sich hin. »Ich meinte, das Märchen ziehe fremdartige Lebensgestalten um die Gestaltung unseres Menschenlebens her.«

»Ein wunderliches Prinzip führt zur Einseitigkeit!«, murrte der Professor.

»Ich verstehe von dem allen kein Wort«, sagte ein hübscher Jüngling, der Sohn des Hauses. »Ich denke mir aber, es ist mit dem Märchen wie mit der Liebe, die auch kein Weiser richtig definiert. Jeder denkt sich etwas anderes darunter. Aber«, fuhr er zu mir und noch ein paar anderen jungen Leuten gewandt fort, »kommt lieber mit mir ins Vorzimmer. Da sitzt meine Schwester Linda unter den Kindern, die heute nicht in die Gesellschaftszimmer dürfen und erzählt ihnen auch Märchen. Waldmärchen, Quellenmärchen... was weiß ich? Vielleicht ist dein anderes Märchen darunter«, lachte er seinem Freund zu.

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