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Sammlung: Adolf Ebert

Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters im Abendland Teil 05

1820-1890, Adolf Ebert

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Dass in solchen Zeiten, wo der Stolz des ewigen Rom so gedemütigt wurde, das Gefühl von der Hinfälligkeit und Vergänglichkeit alles Irdischen immer tiefer alle Schichten der Gesellschaft durchdrang und jenen naiven selbstbefriedigten Genuss der Gegenwart, wie er der antiken Weltanschauung eigentümlich war, der gealterten und überlebten Welt vollends zerstörte, ist um so leichter zu begreifen, als die Aussicht in die Zukunft des Reichs eine ganz dunkle, durch keinen Hoffnungsstern erleuchtete war. Wenn hierbei in den höheren Klassen die moralischen, mussten in den unteren die materiellen Motive stärker wirken. Auf diesen Klassen lastete ja namentlich von Jahr zu Jahr schwerer der Steuerdruck, sie trafen die Nachteile des Verfalls der Landwirtschaft, des Handels und der Gewerbe unmittelbarer und schwerer. Einen Trost suchte man nun teils in den Erinnerungen an eine ferne Vergangenheit, die Blüte der republikanischen Zeiten, die man auf Kosten der traurigen Gegenwart in einem um so idealeren Licht sah, teils in den Hoffnungen auf ein anderes, zukünftiges Dasein jenseits des Grabes, Hoffnungen, die den Tod erleichtern konnten, der von so vielen Seiten drohte, und zugleich so oft nicht der Übel grösstes, sondern das sicherste und einzige Heilmittel derselben schien. Eine erhöhte religiöse Stimmung, die sich aus dem Innersten der Menschennatur entwickelte, durchdrang die heidnische Welt. Gegenüber den gewaltigen unaufhörlichen Erschütterungen des öffentlichen Lebens, die alles Ehrwürdige in den Staub warfen und das Niedrigste emporhoben, gegenüber so manchen großen allgemeinen Kalamitäten, wie sie damals das Reich heimsuchten, für die der zerrüttete Staat am wenigsten eine Hilfe bieten konnte, wurde das Gefühl der Abhängigkeit des Menschen von höheren Mächten wie das Bewusstsein seiner sittlichen Verderbnisses immer mehr gesteigert und lebendig. Die wahrhaft gebildeten Römer suchten schon länger in der Philosophie, zunächst und vornehmlich der stoischen, Trost, die die Geringschätzung der äusseren Dinge, die Unterwürfigkeit unter das über allen waltende Schicksal, die asketische Entsagung und sogar den Selbstmord, soweit diese zur Behauptung der inneren Freiheit notwendig waren, lehrte. Aber sie setzte ein Selbstvertrauen voraus, eine Tapferkeit der Seele, die in den ›sittlich Kranken‹, die der Stoizismus heilen wollte. Denn so fassten den Beruf der Philosophie schon ein Musonius, ein Epiktet auf. So versagte einerseits der Trost, den diese Philosophie bieten konnte, andererseits schlug sie aber selbst eben deshalb auch, wie das Beispiel Marc Aurels zeigt, jene mystisch religiöse Richtung ein, der bereits durchaus der Pythagoräismus und Platonismus im griechischen Orient huldigten, nämlich die: Den Boden der reinen Wissenschaft zu verlassen und eine unmittelbare göttliche Offenbarung zu Hilfe zu nehmen.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 8446
  • Hinzugefügt am 04. Mai 2021 - 12:57 Uhr

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Literatur, Abendland, Aufsatz, Adolf, Ebert

Einsteller: sophie-clark

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