Von Minucius Felix bis in die Zeit Konstantins 

Wenn die Literatur eines Zeitalters mit der allgemeinen Bildung desselben immer in einer innigen Wechselwirkung steht, so ist doch die Art der Wechselwirkung in verschiedenen Perioden eine verschiedene. Von den beiden Faktoren dieses Prozesses nämlich verhält sich bald der eine, bald der andere vorzugsweise aktiv, indem entweder die Literatur mehr durch den allgemeinen Stand der Bildung, als dieser durch jene bestimmt und bedingt wird, oder umgekehrt die allgemeine Bildung ganz wesentlich sich unter dem Einfluss der Literatur befindet und die Antriebe zu einer neuen Richtung und Entwickelung von ihr empfängt, in der dann gleichsam der produktive Geist der Zeit oder der Nation sich wie in einem Sammelpunkt vereinigt. Den letzteren Charakter tragen zumeist die Perioden der literarischen Blüte, den anderen stets die der Anfänge. Dieser ist denn auch und selbst in hervorragender Weise, dem ersten Zeitalter der christlich-lateinischen Literatur eigen. In diesen Jahrhunderten, in denen das Christentum noch um seine Existenz rang, in äußeren und inneren Kämpfen, erscheint auch die Literatur nur den Zwecken des sich schützenden und konsolidierenden Gemeinwesens dienstbar, dessen augenblickliche Bedürfnisse meist ihre Schöpfungen hervorrufen, ja fordern. Nur die begeisternde Macht der hohen welterschütternden Ideen ist es, sowie der neue, frisch aufsprudelnde Quell des durch das Christentum befreiten und vertieften Gemütslebens, was die Werke dieses Zeitalters über die Vergänglichkeit einer Tagesliteratur oder die gebundene Beschränktheit einer bloßen Nützlichkeitsrücksichten ergebenen Dienstbarkeit zu einem dauernden idealen Wert und einer ästhetischen Freiheit erhebt. Die unter den gegebenen Verhältnissen allerdings nur spärliche Literatur ist selbst also in dieser Periode der treueste Ausdruck der wechselnden Lage und fortschreitenden Entwickelung der christlichen Gesellschaft im Abendland. Um das Spiegelbild zu verstehen, ist aber eine Kenntnis des Bildes notwendig.

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