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Sammlung: Adolf Ebert

Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters im Abendland Teil 03

1820-1890, Adolf Ebert

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Das Reich der Römer war zum Weltreich geworden, namentlich dadurch, dass es sich den Osten, die Teile der einstigen Weltherrschaft Alexanders, einverleibt hatte. Denn so war es in den Besitz der ganzen damaligen Weltkultur gekommen. Die Blüte derselben, ja, mehr noch, das sie beherrschende Element, dem auch die römische Bildung bereits dienstbar war, war der Hellenismus. Dieser bildete die Grundlage des Kosmopolitismus, der, zunächst im Kreis der Stoiker, die Frucht einer höhern Humanität trug. Die Idee des Weltbürgertums hatte sich zugleich mit der stoischen Philosophie, und als ein integrierender Bestandteil derselben, zur Zeit und unter dem Einfluss der Gründung des orientalischen Weltreichs Alexanders entwickelt. Sie ging gleichsam mit dem Erbe Alexanders auf Rom über, aber sie gedieh und entfaltete sich auf römischem Boden noch kräftiger. Auf der einen Seite wirkte dahin schon der auf das Ethische so vorzugsweise gerichtete Sinn der Römer, auf der anderen die Lage der politischen Verhältnisse. Denn einmal schien nunmehr unter der Herrschaft der Kaiser fast der ganze bekannte Orbis terrarum vereinigt, von dem Rom selbst zu einer ›Epitome‹ geworden war. Dann aber war durch die Vereinigung aller politischen Gewalt in den Händen eines einzigen, der durch ein Kabinett, zumeist von freigelassenen Griechen gebildet, regierte, der römische Nationalstaat in seinem innersten Wesen zerstört, ganz ebenso, wie die der unterworfenen Völker vernichtet waren. Die Standesunterschiede, dem göttlich verehrten ›Herrn‹ gegenüber aufgehoben, hatten damit überhaupt ihre eigentliche Bedeutung verloren. Endlich war durch die Erteilung des römischen Bürgerrechts in immer weiteren Kreisen und durch die Zulassung der Provinzialen zu den höchsten Ämtern bis auf den kaiserlichen Thron selber auch der Vorzug des herrschenden Volks aufgehoben. Unter Caracalla war dieses Nivellierungssystem bereits vollendet. Das Individuum war emanzipiert, aber auf Kosten des antiken Gemeinwesens; der Mensch konnte nicht mehr als ζῶον πολιτικόν, wie bei Aristoteles, definiert werden. Wenn schon in Ciceros Pflichtenlehre die universi generis humani societas ein massgebendes Prinzip ist, so erhebt bereits Seneca den Staat der Welt, der alle Menschen zugleich mit den Göttern umfasst, weit über den Nationalstaat, dem wir durch unsere Geburt angehören. Die von den Stoikern von Anfang an so nachdrücklich betonte Verwandtschaft aller Menschen als Vernunftwesen, die auch eine allgemeine Menschenliebe fordere, wird bei Epiktet selbst zur Brüderlichkeit, die sich auf die gemeinsame Abstammung von Gott gründet, indem bei ihm schon die philosophische Betrachtungsweise in eine religiöse übersetzt erscheint. Diese Aufhebung der Identifikation des Menschen mit dem Bürger, in der die Stärke der Republiken des Altertums gelegen hatte, bildet die Grundlage einer höhern Humanität, die sich auch in den Fortschritten der Gesetzgebung, in mannigfachen Reformen und selbst neuen Staatseinrichtungen kundgibt, ohne dass irgend ein Einfluss des Christentums anzunehmen wäre. So gewinnt schon das römische Recht jene idealere Ausbildung, durch die es befähigt wurde, auch für den modernen christlichen Staat eine Norm zu werden. Die Beschränkung der väterlichen Gewalt im Interesse der Humanität gibt der Frau eine würdigere Stellung, und erkennt in dem Schutz, den sie dem Kind gewährt, die Berechtigung des Individuums gegenüber der Familie an. Schon wird von der Wissenschaft der Abortus dem Mord gleichgestellt, und die Aussetzung der Kinder für ein Vergehen erklärt. Der Staat erkannte solche Kinder seit Trajan wenigstens als frei an. Auch den Sklaven wurden Menschenrechte eingeräumt, der Grausamkeit der Herren durch die Gesetzgebung Grenzen gezogen. Selbst direkt schon huldigt der Staat reinen Humanitätszwecken, indem arme Kinder auf öffentliche Kosten ernährt werden.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 8444
  • Hinzugefügt am 04. Mai 2021 - 12:39 Uhr

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Literatur, Abendland, Aufsatz, Adolf, Ebert

Einsteller: sophie-clark

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