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Sammlung: Büchner, Leonce und Lena

Leonce und Lena (02)

1836, Georg Büchner

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Gemeinfreier Text - Persönlich redigiert!

 

 

 

ZWEITE SZENE
EIN ZIMMER

König Peter wird von zwei Kammerdienern angekleidet

PETER während er angekleidet wird: Der Mensch muß denken, und ich muß für meine Untertanen denken; denn sie denken nicht, sie denken nicht. - Die Substanz ist das Ansich, das bin ich. Er läuft fast nackt im Zimmer herum. Begriffen? An-sich ist an sich, versteht ihr? Jetzt kommen meine Attribute, Modifikationen, Affektionen und Akzidenzien: wo ist mein Hemd, meine Hose? - Halt, pfui! der freie Wille steht da vorn ganz offen. Wo ist die Moral: wo sind die Manschetten? Die Kategorien sind in der schändlichsten Verwirrung: es sind zwei Knöpfe zuviel zugeknöpft, die Dose steckt in der rechten Tasche; mein ganzes System ist ruiniert. - Ha, was bedeutet der Knopf im Schnupftuch? Kerl, was bedeutet der Knopf, an was wollte ich mich erinnern?

ERSTER KAMMERDIENER: Als Eure Majestät diesen Knopf in Ihr Schnupftuch zu knüpfen geruhten, so wollten Sie

KÖNIG: Nun?

ERSTER KAMMERDIENER: Sich an etwas erinnern. PETER: Eine verwickelte Antwort! - Ei! Nun, und was meint Er?

ZWEITER KAMMERDIENER: Eure Majestät wollten sich an etwas erinnern, als Sie diesen Knopf in Ihr Schnupftuch zu knüpfen geruhten.

PETER läuft auf und ab: Was? Was? Die Menschen machen mich konfus, ich bin in der größten Verwirrung. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen.
Ein Diener tritt auf.

DIENER: Eure Majestät, der Staatsrat ist versammelt.

PETER freudig: Ja, das ist's, das ist's: Ich wollte mich an mein Volk erinnern. - Kommen Sie, meine Herren! Gehen Sie symmetrisch. Ist es nicht sehr heiß? Nehmen Sie doch auch Ihre Schnupftücher und wischen Sie sich das Gesicht! Ich bin immer so in Verlegenheit, wenn ich öffentlich sprechen soll. Alle ab.

König Peter. Der Staatsrat.

PETER: Meine Lieben und Getreuen, ich wollte euch hiermit kund und zu wissen tun, kund und zu wissen tun -denn, entweder verheiratet sich mein Sohn, oder nicht - legt den Finger an die Nase: entweder, oder - ihr versteht mich doch? Ein Drittes gibt es nicht. Der Mensch muß denken. Steht eine Zeit lang sinnend. Wenn ich so laut rede, so weiß ich nicht, wer es eigentlich ist, ich oder ein anderer; das ängstigt mich. Nach langem Besinnen: Ich bin ich. - Was halten Sie davon, Präsident?

PRÄSIDENT gravitätisch langsam: Eure Majestät, vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch nicht so.

DER GANZE STAATSRAT IM CHOR: ja, vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch nicht so.

PETER mit Rührung: O meine Weisen! - Also von was war eigentlich die Rede? Von was wollte ich sprechen? Präsident, was haben Sie ein so kurzes Gedächtnis bei einer so feierlichen Gelegenheit? Die Sitzung ist aufgehoben.

Er entfernt sich feierlich, der ganze Staatsrat folgt ihm.


  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 660
  • Hinzugefügt am 25. Mär 2012 - 08:03 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Vormärz, Georg, Büchner, Leonce, und, Lena, Biedermeier, Wiener, Kongress, Fürstenherrschaft, gesellschaftlicher, Stillstand, Parabel, Gesellschaft, Deutschland, 19., Jahrhundert, Satire

Einsteller: klassiker

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