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Sammlung: Büchner, Leonce und Lena

Leonce und Lena (10)

1836, Georg Büchner

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Persönlich Redigiert

DRITTER AKT

ERSTE SZENE

Leonce.Valerio

VALERIO: Heiraten? Seit wann hat es Eure Hoheit zum ewigen Kalender gebracht?

LEONCE: Weißt du auch, Valerio, daß selbst der Geringste unter den Menschen so groß ist, daß das Leben noch viel zu kurz ist, um ihn lieben zu können? Und dann kann ich doch einer gewissen Art von Leuten, die sich einbilden, daß nichts so schön und heilig ist, daß sie es nicht noch schöner und heiliger machen müßten, die Freude lassen. Es liegt ein gewisser Genuß in dieser lieben Arroganz. Warum soll ich ihnen denselben nicht gönnen?

VALERIO: Sehr human und philobestialisch! Aber weiß sie auch, wer Sie sind?

LEONCE: Sie weiß nur, daß sie mich liebt.

VALERIO: Und weiß Eure Hoheit auch, wer sie ist? LEONCE: Dummkopf! Frag doch die Nelke und die Tauperle nach ihrem Namen.

VALERIO : Das heißt, sie ist überhaupt etwas, wenn das nicht schon zu unzart ist und nach dem Signalement schmeckt. -Aber, wie soll das gehn? - Hm! Prinz, bin ich Minister, wenn Sie heute vor Ihrem Vater mit der Unaussprechlichen, Namenlosen mittelst des Ehesegens zusammengeschmiedet werden? Ihr Wort?

LEONCE: Mein Wort!

VALERIO: Der arme Teufel Valerio empfiehlt sich seiner Exzellenz dem Herrn Staatsminister Valerio von Valeriental. - >Was will der Kerl? Ich kenne ihn nicht. Fort, Schlingel!<
Er läuft weg; Leonce folgt ihm.

 

ZWEITE SZENE
FREIER PLATZ VOR DEM SCHLOSSE
DES KÖNIGS PETER

Der Landrat. Der Schulmeister. Bauern im Sonntagsputz,
Tannenzweige haltend

LANDRAT: Lieber Herr Schulmeister, wie halten sich Eure Leute?
SCHULMEISTER: Sie halten sich so gut in ihren Leiden, daß sie sich schon seit geraumer Zeit aneinander halten. Sie gießen brav Spiritus in sich, sonst könnten sie sich in der Hitze unmöglich so lange halten. Courage, ihr Leute! Streckt eure Tannenzweige grad vor euch hin, damit man meint, ihr wärt ein Tannenwald, und eure Nasen die Erdbeeren, und eure Dreimaster die Hörner vom Wildbret, und eure hirschledernen Hosen der Mondschein darin. Und merkt's euch: der hinterste läuft immer wieder vor den vordersten, damit es aussieht, als wärt ihr ins Quadrat erhoben.

LANDRAT: Und, Schulmeister, Ihr steht vor die Nüchternheit.

SCHULMEISTER: Versteht sich, denn ich kann vor Nüchternheit kaum noch stehen.

LANDRAT: Gebt acht, Leute, im Programm steht: >Sämtliche Untertanen werden von freien Stücken reinlich gekleidet, wohlgenährt und mit zufriedenen Gesichtern sich längs der Landstraße aufstellen.< Macht uns keine Schande!

SCHULMEISTER: Seid standhaft! Kratzt euch nicht hinter den Ohren und schneuzt euch die Nase nicht, solang das hohe Paar vorbeifährt, und zeigt die gehörige Rührung, oder es werden rührende Mittel gebraucht werden. Erkennt, was man für euch tut: man hat euch grade so gestellt, daß der Wind von der Küche über euch geht und ihr auch einmal in eurem Leben einen Braten riecht. Könnt ihr noch eure Lektion? He? Vi!

DIE BAUERN: Vi!

SCHULMEISTER: Vat!

DIE BAUERN: Vat!

SCHULMEISTER: Vivat!

DIE BAUERN: Vivat!

SCHULMEISTER: So, Herr Landrat! Sie sehen, wie die Intelligenz im Steigen ist. Bedenken Sie, es ist Latein! Wir geben aber auch heut abend einen transparenten Ball mittelst der Löcher in unseren Sacken und Hosen und schlagen uns mit unseren Fäusten Kokarden an die Köpfe.


  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 668
  • Hinzugefügt am 27. Mär 2012 - 17:11 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Vormärz, Georg, Büchner, Leonce, und, Lena, Biedermeier, Wiener, Kongress, Fürstenherrschaft, gesellschaftlicher, Stillstand, Parabel, Gesellschaft, Deutschland, 19., Jahrhundert, Satire, Biedermeier

Einsteller: klassiker

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1 Kommentar

  1. sophie-clark

    Ein melancholischer Prinz soll eine ihm unbekannte Prinzessin heiraten.Er flüchtet mit seinem faulen,aber genußsüchtigem Diener nach Italien.

    28. Okt 2015 - 08:02 Uhr

 

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