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Sammlung: Adolf Glaser

Masaniello - Der Volksheld von Neapel Teil 02

1888, Adolf Glaser

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Es war an einem Frühlingsmorgen des Jahres 1633. Das Licht hatte kaum die leichten Nebel der Nacht überwunden, und die Sonne beschien in langsam majestätischem Aufsteigen den ungeheuren Raum der Hemisphäre. Wie eine zärtliche Mutter ihr Kind mit Küssen überdeckt, so warf sie die leuchtendsten ihrer Strahlen auf die Gegend um Neapel, denn hier hat die Natur eine jener Vereinigungen von landschaftlicher Schönheit geschaffen, wie sie das entzückte Auge nur selten erblickt. Eine wahre Zauberwelt enthüllte sich bei dem Erscheinen des Lichtes! Das tiefe und reine Blau des Himmels wölbte sich über dem entzückenden Panorama. Die weiche aromatische Luft, die üppige Vegetation, die die Berge umher bedeckt und dazwischen die stolzen Paläste, die sich amphitheatralisch aufbauen und hoch oben von stolzen Kastellen beherrscht werden, alles vereinigte sich zum schönsten Bild! Von allen Großstädten der Erde hat Neapel sicherlich die schönste Lage und diese Überzeugung spricht sich auch in dem oft angewendeten Wort aus, dass man ruhig sterben könne, wenn man Neapel gesehen habe, da man dann den rechten Begriff von der Schönheit und Herrlichkeit der Erde gewonnen habe.

Köstlich war die Frische der Morgenluft, und alle Wesen schienen sie mit Wonne zu atmen. Ein Jüngling von etwa zwanzig Jahren, schlank von Gestalt, von etwas schmächtigen Zügen, mit breiter Stirn und Augen voll Feuer, schlenderte bereits am Ufer der Chiaia entlang und erquickte sich am Hauch der Frühe. Nachdem er seine Blicke am herrlichen Naturschauspiel der aufgehenden Sonne geweidet und die wunderbaren Lichteffekte beobachtet hatte, ließ er sich auf einen kleinen Sandhügel nieder und blickte unverwandt auf die bewegten Wellen des Meeres, wie jemand, der in tiefe Gedanken versunken ist. In geringer Entfernung von diesem Jüngling ordnete ein junger Fischer das Tauwerk seiner Barke und breitete die Netze aus, damit die aufgehende Sonne sie bestrahle. Dabei sang er eins jener charakteristischen Lieder, die in Worten und Melodie so ganz mit jenem Naturschauspiel in Harmonie sind, das das neapolitanische Volk täglich vor Augen hat: Jenem Himmel, der gleichsam völlig Liebe und Wonne ist. Jener Gegend, die erfüllt ist von einer Poesie, die sich nicht zergliedern und wissenschaftlich erklären lässt, aber vom Gefühl sofort begriffen wird, da sie die Seele mit dem Zauber einer Natur erfüllt, deren ganzes Wesen ein unsterblicher Gesang ist, sanft und melancholisch gleich einer süßen Erinnerung, gleich einem Echo, das zwischen den Büschen und hinter den Bergen schläft und leise, kaum hörbar sich in sanftem Flüstern verliert, solange der Schrei der Leidenschaft und des Schmerzes seinen Frieden nicht stört und es zu grellen Dissonanzen aufruft.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 8595
  • Hinzugefügt am 21. Sep 2021 - 20:46 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Masaniello, Volksheld, Roman, Adolf, Glaser

Einsteller: sophie-clark

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