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Sammlung: Russische Märchen

Von den zwölf Monaten/04

1943, S. Marschak

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Alles lag voll Schnee, nirgend war eine Fußstapfe zu schauen. Helena irrte, irrte lange; ihre Genäschigkeit trieb sie immer weiter. Da gewahrt sie in der Ferne ein Licht. Sie eilt darauf zu. Sie gelangt auf den Gipfel, wo das Feuer brennt, um das auf zwölf Steinen die zwölf Monate sitzen. Helena erschrickt; doch bald fasst sie sich, tritt näher zu dem Feuer, und streckt die Hände aus, um sich zu wärmen. Sie fragt die Monate nicht: »Darf ich mich wärmen? « und spricht kein Wort zu ihnen. »Was suchst Du hier, warum bist Du hergekommen! « fragt verdrießlich der Eismonat. - »Wozu fragst Du, Du alter Thor? Du brauchst nicht zu wissen, wohin ich gehe! « fertigt ihn Helena störrig ab, und wendet sich vom Feuer in den Wald. Der Eismonat runzelt die Stirn, und schwingt seinen Stab über dem Haupte. In dem Augenblicke verfinstert sich der Himmel, das Feuer brennt niedrig, es beginnt Schnee zu fallen, als ob wer ein Federbett ausschüttelte, eisiger Wind weht durch den Wald. Helena sieht nicht einen Schritt vor sich; sie irrt und irrt, und stürzt in eine Schneewehe, und ihre Glieder ermatten, erstarren. Unaufhörlich fällt Schnee, eisiger Wind weht, Helena flucht der Schwester, flucht dem lieben Gott. Ihre Glieder erfrieren in dem warmen Pelz.
Die Mutter harrte auf Helena, blickte zum Fenster hinaus, blickte zur Tür hinaus, konnte aber die Tochter nicht erharren. Stunde auf Stunde verstrich, Helena kam nicht. »Vielleicht schmecken ihr die Äpfel so gut, dass sie sich nicht von ihnen trennen kann, « dachte die Mutter, »ich muss nach ihr sehen! « Sie zog ihren Pelz an, nahm ein Tuch um den Kopf, und ging, Helena zu finden. Alles lag voll Schnee, nirgend war eine Fußstapfe zu schauen. Sie rief Helena; niemand meldete sich. Sie irrte, irrte lange; Schnee fiel dicht, eisiger Wind wehte, Maruschka kochte das Essen, besorgte die Kuh; doch weder Helena, noch die Stiefmutter kam. »Wo bleiben sie so lange! « sprach Maruschka zu sich, und setzte sich zum Spinnrocken. Schon war die Spindel voll, schon dämmerte es in der Stube, und es kam weder Helena, noch die Stiefmutter. »Ach Gott, was ist ihnen zugestoßen? « klagte das gute Mädchen, und sah zum Fenster hinaus. Der Himmel strahlte von Sternen, die Erde glänzte von Schnee, es ließ sich niemand sehen; traurig schloss Maruschka das Fenster, machte das Kreuz, und betete ein Vaterunser für die Schwester und Mutter. Des andern Tages harrte sie mit dem Frühstück, harrte sie mit dem Mittagsmahl; doch sie erhärte weder Helena, noch die Stiefmutter. Beide waren im Wald erfroren. Der guten Maruschka blieb die Hütte, die Kuh und ein Stückchen Feld; es fand sich auch ein Hauswirth dazu, und Beide lebten in Frieden glücklich mit einander.
  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 876
  • Hinzugefügt am 18. Jul 2012 - 09:16 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Schnee, Eismonat, Feuer, Wind, Schwester, Mädchen, Märchen

Einsteller: soja

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