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Sammlung: Russische Märchen

Von den zwölf Monaten/02

1943, S. Marschak

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Des andern Tages saß Helena müßig beim Ofen, und es gelüstete sie nach Erdbeeren. »Geh', Maruschka, bring' mir Erdbeeren aus dem Walde! « befahl Helena der Schwester. »Ach Gott, liebe Schwester, wo werd' ich Erdbeeren finden! Hab' nie gehört, dass unter dem Schnee Erdbeeren wüchsen, « versetzte Maruschka. »Du nichtsnutziges Ding, Du Kröte, Du widersprichst, wenn ich befehle? Gleich geh' in den Wald, und bringst Du keine Erdbeeren, wahrlich, so schlag' ich Dich Todt! « drohte die böse Helena. Die Stiefmutter fasste Maruschka, stieß sie zur Tür hinaus, und Schloss diese fest hinter ihr. Das Mädchen ging bitter weinend in den Wald. Der Schnee lag hoch, nirgend war eine Fußstapfe. Die Arme irrte, irrte lange: Hunger plagte sie, Kälte schüttelte sie. Da gewahrt sie in der Ferne dasselbe Feuer, das sie den Tag zuvor gesehen. Mit Freuden eilte sie darauf zu. Sie kam wieder zu dem großen Feuer, um welches die zwölf Monate saßen. Der Eismonat saß obenan. »Liebe Leute, erlaubt mir, dass ich mich am Feuer Wärme, Kälte schüttelt mich, « bat Maruschka. Der Eismonat nickte mit dem Haupte und fragte: »Warum bist Du wieder gekommen, was suchst Du? « - »Ich suche Erdbeeren, « entgegnete Maruschka. - »Es ist nicht an der Zeit, Erdbeeren zu suchen, wenn Schnee liegt, « sagte der Eismonat. »Ich weiß wohl, « antwortete Maruschka traurig, »allein Schwester Helena und meine Stiefmutter haben mir befohlen, Erdbeeren zu bringen; bring' ich sie nicht, so schlagen sie mich Todt. Bitte schön, Ihr Hirten, sagt mir, wo ich deren finde! « Der Eismonat erhob sich, schritt zum Monat, der ihm gegenüber saß, gab ihm den Stab in die Hand und sprach: »Bruder Juni, setz' Dich obenan! « Der schöne Monat Juni setzte sich obenan, und schwang den Stab über dem Feuer. In dem Augenblicke schlug die Flamme hoch empor, der Schnee zerschmolz alsbald, die Erde grünte, Bäume umhüllten sich mit Laub, Vögel begannen zu singen, mannichfaltige Blumen blühten im Walde und es war Sommer. Weiße Sternlein gab es, als ob sie wer dahin gesät hätte. Sichtbar aber verwandelten sich die weißen Sternlein in Erdbeeren, die Erdbeeren reiften schnell, und eh' sich Maruschka dessen versah, gab es ihrer in dem grünen Rasen, als ob wer Blut ausgegossen hätte. »Schnell, Maruschka, pflücke! « gebot der Juni. Maruschka pflückte freudig, bis sie die Schürze voll hatte. Dann dankte sie den Monaten schön, und eilte froh nach Hause. Es wunderte sich Helena, es wunderte sich die Stiefmutter, als sie sahen, dass Maruschka in der Tat Erdbeeren bringe, die ganze Schürze voll. Sie liefen, ihr die Tür zu öffnen, und der Duft der Erdbeeren ergoss sich durch die ganze Hütte. »Wo hast Du sie gepflückt? « fragte Helena störrig. - »Hoch auf dem Berge, dort wachsen ihrer in Fülle unter den Buchen, « erwiderte Maruschka. Helena nahm die Erdbeeren, aß sich satt, und gab auch der Mutter zu essen; zu Maruschka sagten sie nicht einmal: »Kost' auch! «

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 874
  • Hinzugefügt am 18. Jul 2012 - 09:03 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Märchen, Winter, Erdbeeren, Monat, Juni, Feuer, Mutter,

Einsteller: soja

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1 Kommentar

  1. sophie-clark

    Erdbeeren im Winter,ich glaube,Helena braucht mal Nachhilfe in Botanik.

    20. Mär 2015 - 16:17 Uhr

 

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