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Sammlung: Paul Scheerbart

Na prost! Teil 01

1863-1915, Paul Scheerbart

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Inhaltsangabe

 

«Die Erde ist entzwei!»

 

Diesen großen Satz ruft wehmütig der kühne Brüllmeyer in die achtkantige Flasche hinein.

Mit einem unvergleichlichen Aufschrei, in dem Wut und Freude, Schreck und Beklemmung miteinander tanzen, springen Passko und Kusander in die Höhe.

«Ist sie wirklich entzwei?»

«Wir haben nichts gehört!»

«Das ist eine Gemeinheit!»

«Das ist ja kolossal!»

So und so ähnlich schreien sich die drei an, die Wände der achtkantigen Flasche dröhnen.

Und dann wird getrunken! Meerblauer Narrenwein wird getrunken!

«Na prost

«Es lebe die Erde, die entzwei ist!»

«Kinder!», bemerkt bedächtig der alte Kusander, «ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Ich weiß nur, dass ich mich an Verschiedenes nicht mehr erinnere. Wir waren zuletzt sehr stark bezecht.»

«Natürlich!», erwidert lebhaft der Passko. «Jetzt nimm dich aber ein bisschen zusammen! Du weißt doch, dass wir über Sumatra aufgestiegen sind.»

«Mir ist ganz dösig!», sagt darauf der alte Kusander. «Wie sind wir denn bloß nach Sumatra gekommen?»

«Nanu?», donnert nun der kühne Brüllmeyer los, «du hast doch nicht etwa deinen Verstand verloren? Mensch, was machst du für Sachen? Weißt du nicht, dass wir vor acht Tagen noch im alten Deutschland herumkrabbelten?»

«Jawohl», flüstert Kusander, «wir waren im alten Berlin und sahen uns dort die Ergebnisse der letzten Ausgrabungen an. Die Gegend war sehr lehmig und die ausgegrabenen Häuser waren noch lehmiger.»

«Siehst du!», stößt nun freudestrahlend der kühne Brüllmeyer heraus, «wir haben uns dann plötzlich Hals über Kopf von Berlin durch die Alpen nach Venedig begeben, setzten uns in unser Motorboot und fuhren durchs rote Meer schnurstracks nach Sumatra. Wir schossen nur so durchs Wasser! Das war eine wilde Fahrt! Und was machten wir nun in Sumatra?»

«Nun hör schon auf!», gibt jetzt schmunzelnd der Kusander zurück. «Jetzt weiß ich schon wieder alles! Wir tranken furchtbar viel, kletterten in die achtkantige Flasche und ließen uns von den sieben großen Riesenballons in die Wolken tragen.»

«Stimmt!», fällt da der Passko ein, «wir sind nicht weniger als zwölftausend Meter gestiegen. Und oben sind wir von der Schleudermaschine regelrecht abgeschleudert worden. Ganz kurz vor dem Augenblick, in dem der Zusammenstoß stattfand. Die Schleudermaschine hat leider ihre Schuldigkeit so heftig getan, dass wir beim Abreißen der Drähte sofort Hören und Sehen verloren. Und so ist es gekommen, dass wir vom Zusammenprall des Kometen mit unserer alten Erde nichts gehört und nichts gesehen haben.»

«Daher ist mir auch», spricht nun tief aufatmend der alte Kusander, «so dösig zumute! Die Polsterwände sind also doch noch nicht weich genug gewesen! Das hab ich ja gleich gesagt! Na prost!»

«Na prost!», brüllen alle drei.

Und sie trinken ihren meerblauen Narrenwein und sie schütteln dabei immer wieder ihre gelehrten Köpfe. Denn sie können es noch immer gar nicht begreifen, dass sie gerettet sind und noch leben.

Aber freuen tun sie sich! Donnerwetter! Kein Dieb kann sich so freuen wie die drei Gelehrten in der achtkantigen Flasche!

«Na prost! Na prost!»

Mehr hört man nicht.

 

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  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 5087
  • Hinzugefügt am 14. Apr 2014 - 15:36 Uhr

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Na-prost, Paul-Scheerbart, Roman, Weltuntergang, Reise

Einsteller: sophie-clark

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