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Sammlung: Lewis Carroll

Alice im Wunderland Teil 04

1865, Lewis Carroll

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Es schien ihr ganz unnütz, länger bei der kleinen Tür zu warten. Daher ging sie zum Tisch zurück, halb und halb hoffend, sie würde noch einen Schlüssel darauf finden, oder jedenfalls ein Buch mit Anweisungen, wie man sich als Teleskop zusammenschieben könne. Diesmal fand sie ein Fläschchen darauf. »Das gewiss vorhin nicht hier stand«, sagte Alice. Und um den Hals des Fläschchens war ein Zettel gebunden, mit den Worten»Trink mich!«, wunderschön in großen Buchstaben darauf gedruckt.

Es war leicht gesagt, »Trink mich«, aber die kluge kleine Alice wollte sich damit nicht übereilen. »Nein, ich werde erst nachsehen«, sprach sie, »ob ein Totenkopf darauf ist.« Denn sie hatte mehre hübsche Geschichten gelesen von Kindern, die sich verbrannt hatten oder sich von wilden Tieren hatten fressen lassen, und in andere gefährliche Situationen geraten waren, nur weil sie nicht an die Warnungen hielten, die ihre Freunde ihnen gegeben hatten. Zum Beispiel, dass ein rotglühendes Eisen brennt, wenn man es anfasst, und dass, wenn man sich mit einem Messer tief in den Finger schneidet, es gewöhnlich blutet. Und sie hatte nicht vergessen, dass wenn man aus einer Flasche mit einem Totenkopf darauf trinkt, es einem unfehlbar schlecht bekommt.

Diese Flasche jedoch hatte keinen Totenkopf. Daher wagte Alice zu kosten; und da es ihr gut schmeckte (es war eigentlich wie ein Gemisch von Kirschkuchen, Sahnensauce, Ananas, Putenbraten, Naute und Armen Rittern), trank sie die Flasche aus.

»Was für ein komisches Gefühl!«, riefe Alice. »Ich schiebe mich zusammen wie ein Teleskop.«

Und so war es in der Tat. Jetzt war sie nur noch zehn Zoll hoch, und ihr Gesicht leuchtete bei dem Gedanken, dass sie nun die rechte Größe hatte, um durch die kleine Tür in den schönen Garten zu gehen. Doch erst wartete sie einige Minuten, ob sie noch mehr einschrumpfen werde. Sie war einigermaßen ängstlich. »Denn es könnte damit enden«, sagte Alice zu sich selbst, »dass ich ganz verschwände. Mich wundert es, wie ich dann aussähe?« Und sie versuchte sich vorzustellen, wie die Flamme von einer Kerze aussieht, wenn das Licht ausgeblasen ist, aber sie konnte sich nicht erinnern, dies je gesehen zu haben.

Nach einer Weile, als sie merkte, dass weiter nichts geschah, beschloss sie, gleich in den Garten zu gehen. Aber, arme Alice! Als sie an die Tür kam, hatte sie das goldene Schlüsselchen vergessen. Sie ging zum Tisch zurück, es zu holen, erkannte aber, dass sie es unmöglich erreichen konnte. Sie sah es ganz deutlich durch das Glas, und sie gab sich alle Mühe an einem der Tischfüße hinauf zu klettern, aber er war zu glatt; und als sie sich ganz müde gearbeitet hatte, setzte sich das arme, kleine Ding hin und weinte.

»Still, was nützt es so zu weinen!«, sagte Alice ganz böse zu sich selbst. »Hör auf damit!« Sie gab sich oft sehr guten Rat (obwohl sie ihn selten befolgte), und manchmal schalt sie sich selbst so streng, dass sie sich zum Weinen brachte. Einmal, erinnerte sie sich, hatte sie versucht sich selbst eine Ohrfeige zu geben, weil sie im Krocket geschummelt hatte, als sie gegen sich selbst spielte, denn dieses eigentümliche Kind tat gerne so als wäre es zwei Personen.

»Aber jetzt hilft es zu nichts«, dachte die arme Alice, »zu tun als ob ich zwei verschiedene Personen wäre. Ach! Es ist ja kaum genug von mir übrig zu einer anständigen Person!«

Bald fiel ihr Auge auf eine kleine Glasbüchse, die unter dem Tisch lag. Alice öffnete sie und fand einen sehr kleinen Kuchen darin, auf dem die Worte »Iss mich!«, schön in kleinen Rosinen geschrieben standen. »Gut, ich will ihn essen«, sagte Alice, »und wenn ich davon größer werde, so kann ich den Schlüssel erreichen. Wenn ich aber noch kleiner davon werde, dann kann ich unter der Tür durchkriechen. Auf jeden Fall, gelange ich in den Garten, es ist mir einerlei wie.«

Sie aß einen winzigen Bissen, und sagte neugierig zu sich selbst: »Aufwärts oder abwärts?« Dabei hielt sie die Hand prüfend auf ihren Kopf und war ganz erstaunt zu bemerken, dass sie dieselbe Größe behielt. Freilich geschieht dies gewöhnlich, wenn man Kuchen isst. Aber Alice war schon so an wunderbare Dinge gewöhnt, dass es ihr ganz langweilig schien, wenn das Leben so natürlich weiterging.

Sie machte sich also daran, und verzehrte den Kuchen völlig.

 

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  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 7807
  • Hinzugefügt am 06. Feb 2015 - 19:46 Uhr

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Alice-im-Wunderland, Lewis-Carroll, kostenlos-lesen, Märchen-aus-aller-Welt, mit-Texten-Geld-verdienen

Einsteller: sophie-clark

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