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August Bebel /Die islamisch-arabische Kulturperiode Teil 01

Sammlung: August Bebel

Die islamisch-arabische Kulturperiode Teil 01

1840-1813, August Bebel


 

 

I. Vorgeschichte und Entstehung des Islams als Hebel arabischer Macht.

Der Orient ist die Geburtsstätte der für die moderne Kultur vorzugsweise in Betracht kommenden Religionen. Judentum, Christentum, Islam gingen nacheinander aus seinem Schoß hervor, und alle drei entstammen ein und derselben Völkerrasse, der semitischen. Eine dieser Religionen baute sich auf der anderen auf und entfaltete nach den Charaktereigenschaften und dem Bildungsgrad der Völkerschaften, auf die sie vorzugsweise sich ausbreitete, ihr eigenes charakteristisches Wesen.

Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daß alle Religionen Menschenwerk sind und aus menschlichen Bedürfnissen hervorgingen, so ist er in der Geschichte ihrer Entstehung und Entwicklung zu finden. Und doch will jede – siehe das schöne Gleichnis Lessings in »Nathan der Weise« von den drei Ringen – sich als die wahre und unfehlbare Religion angesehen wissen.

Aber wie eine Religion aus der anderen hervorging, sich sozusagen auf ihre Vorgängerinnen gepfropft hat, so war auch jede genötigt, in dem Moment ihres Entstehens und ihrer ersten Ausbreitung alle jene in den Zeitumständen und im Volkszustande liegenden Anschauungen, die das Geistesleben des bezüglichen Volkes beherrschten, in sich aufzunehmen, wenn sie anders Einfluß und Geltung erlangen wollte.

Verfolgt man den Ursprung der drei genannten Religionen weiter zurück, so findet die jüdische, als die älteste von den dreien, in der Religion der alten Ägypter, die Moses als einer der Eingeweihten speziell hatte kennen lernen, und diese wieder in der brahmanischen Religion der alten Inder ihre Quelle. Die eine Reihe der Entwicklung aus der altindischen, als der ältesten aller auf den Monotheismus begründeten Religionen, läuft in den Buddhismus und die Lehren des Zoroaster und des Konfuzius (Kon-fut-se) aus, und diese Religionen bestehen noch heute im größten Teile Asiens und beherrschen nahezu die Hälfte des Menschengeschlechts; die andere Entwicklungsreihe bilden, nächst der untergegangenen alt-ägyptischen Religion, das Judentum, das Christentum und der Islam. Die beiden letzteren haben sich wieder in verschiedene Bekenntnisse und eine Menge mehr oder weniger untergeordneter Sekten gespalten und nehmen neben einem bedeutenden Teile Asiens und Nordafrikas vorzugsweise Europa in Beschlag, wohingegen in der neuen Welt sich das Christentum als allein maßgebende Religion verbreitete, und zwar in Folge ihrer Eroberung und Kolonisation durch christlich-europäische Kulturvölker.

 Klima, Bodenbeschaffenheit und Nahrung wirken auf die physische Entwicklung und den Charakter eines Volkes und die daraus sich ergebenden ökonomischen und sozialen Gestaltungen beeinflussen seine intellektuelle Entwicklung. Die letztere wird in dem Maße wachsen, wie günstige äußere Umstände ihr zu Hilfe kommen. Dahin gehören: nicht allzu schwierige Beschaffung einer auskömmlichen Lebensweise, eine Natur, die in ihren Erscheinungen und Einwirkungen mehr die Entwicklung des Verstandes als der Phantasie begünstigt, und wo sich fremde oder alte Kultureinflüsse geltend machen, daß diese der Fassungskraft und dem Charakter des neuen Volks entsprechen und ihm ihre Aufnahme leicht machen. Hingegen fördert alles, was die Phantasie begünstigt, die Religion, und hemmt den intellektuellen Fortschritt. Dahin gehören insbesondere die unverstandenen Naturerscheinungen. Sie wirken auf das Gefühl, erregen die Phantasie und begünstigen die Mythenbildung. Je gewaltiger die Naturerscheinungen auftreten, je mehr sie den Menschen erschrecken und ihn schädigen, desto mehr wird er von Furcht erfüllt sein und alles versuchen, die wider ihn empörten Mächte, die er sich nicht anders als lebende, mit Willen begabte Wesen vorstellen kann, zu besänftigen und mit sich auszusöhnen.

Die religiösen Vorstellungen hängen also mit der Naturerkenntnis auf das innigste zusammen, sie werden umso abergläubischer und roher sein, je tiefer die Naturerkenntnis steht, und diese selbst hängt wieder ab von der Macht, welche die Natur und die ganze Umgebung des Menschen auf die Entwicklung seines Verstandes ausüben.

Soll also eine neue Religion auf Anhänger und Ausbreitung rechnen können, so ist ihr erstes Erfordernis, daß sie in ihren Lehren dem Kulturgrad der bezüglichen Völker entspricht. Steht sie unter demselben, wird sie ebensowenig auf allgemeine Verbreitung rechnen können, als wenn sie über demselben steht. Im ersteren Falle wird sie günstigsten Falles die rückständigsten Klassen des Volkes, im zweiten die fortgeschrittensten befriedigen, sie wird aber weder in dem einen noch in dem anderen Fall eine einschneidende Wirksamkeit erlangen und endlich entweder gänzlich untergehen oder erst nach Jahrhunderten, auf höherer Entwicklungsstufe der Menge, für die sie berechnet war, Eingang und Ausbreitung finden.

So wird also keine Religion auf die Dauer bei einem geistig fortschreitenden Volke bestehen bleiben können, es sei denn, daß sie umgeformt wird, wodurch sie aber ihren eigentlichen Charakter verliert und mehr oder weniger aufhört, Verehrung und Befriedigung zu wecken. Das hat z. B. der Protestantismus sehr deutlich gezeigt.

Die Entwicklung der Religion läuft also schließlich in letzter Instanz auf die Abschaffung aller Religionen, den Atheismus hinaus, womit selbstverständlich nicht gesagt ist, daß ein solcher Zustand sich künstlich, etwa durch gesetzgeberische Akte in einem Zeitalter, wo das religiöse Bedürfnis noch überwiegt, herbeigeführt werden könne. Über das unsinnige und verkehrte eines solchen Schrittes belehren uns am besten die bezüglichen Akte der französischen Revolution, die wesentlich die Rückkehr zur Monarchie herbeiführten.

 

Es kann also gar kein Zweifel sein, daß die religiösen Ideen mit dem gesammten Kulturzustand eines Volks in innigster Beziehung stehen. Die Religionen entwickeln sich wie das ganze Menschenwesen und wie der politische und soziale Zustand einer Gesellschaft nach bestimmten Gesetzen. Es ist also ein Widersinn, zu sagen, dieser oder jener Religionsstifter sei ein Betrüger gewesen, wie es eben so falsch ist, wenn man seiner Person speziell einen ganz besonderen, außergewöhnlichen Einfluß auf eine bestimmte Religionsbildung zuschreibt. Geht man den Vorgängen der Zeiten auf den Grund, dann findet man stets, daß es keineswegs nur jener Eine war, der einem späteren Zeitalter als der eigentliche Religionsstifter, als Gründer durch sich selbst, gilt und darum verehrt wird, und die von ihm gelehrten Grundsäze und Anschauungen allein besaß, sondern daß in der Regel sowohl vor ihm wie gleichzeitig mit ihm, eine mehr oder weniger große Zahl frommer Schwärmer vorhanden war, die in dem gleichen Sinne und Geiste wirkten und ihm schon vorgearbeitet hatten. Es waren nur besondere zufällige Umstände, welche gerade diesen bestimmten Einen zur hervorragenden Geltung kommen ließen. Irgend ein nebensächlicher Umstand hätte eben so gut einen anderen an seinen Platz stellen können.

 

Bestimmte Moralsätze ergeben sich sozusagen von selbst, wo immer Menschen zusammenleben. Ihr geselliges Zusammenwirken bedingt, daß sie einen Moralkodex sich geben, der je nach ihrem Kulturzustand in äußere Formeln zusammengefaßt wird, aber in seiner Grundauffassung überall derselbe ist. Daß auf Zusammenleben angewiesene Menschen den gegenseitigen Diebstahl, den Totschlag, den Mord und die offene Übervorteilung verurteilen, liegt so sehr in dem Wesen des gesellschaftlichen Verkehrs, daß ohne diese Schranken jeder gesellschaftliche Verkehr und jedes Zusammenleben unmöglich wäre. Die moralischen Grundanschauungen, welche das gesellschaftliche Verhältnis erzeugt, bilden daher überall die Basis für die Rechtsbildung. Jede organisirte menschliche Gemeinschaft, Stamm, Stämmeverband, Volk, Völkerverband wird sie als Grundlage ihrer Verbindung betrachten. So werden Moralgrundsäze wie der: »was du nicht willst, das man dir tu, das füge auch keinem anderen zu« in jedem menschlichen Gemeinwesen als ideale Rechtsanschauung und erstes Moralgesetz angesehen werden, auch wenn dieser Gedanke nicht klar formuliert dem Einzelnen zum Bewußtsein gekommen ist. Dagegen spricht nicht, daß die Staatsgeseze und die Staatseinrichtungen weder auf primitivster, noch auf der heutigen höchsten Kulturstufe diesem Gedanken keinen reinen Ausdruck geben. Hier spielen eben die Machtverhältnisse hinein, die wieder der Ausdruck von der Verteilung der materiellen Machtmittel sind, deren Träger, seien es nun Einzelne oder ganze Klassen, es vermocht haben, in ihrem Interesse der Gesamtheit oder wenigstens der großen Mehrheit die Anschauung beizubringen, daß solche Abweichungen von den allgemeinen Grundsäzen berechtigte und nicht zu ändernde oder nicht zu vermeidende seien.

 

Der Orient, und zwar hauptsächlich Indien, wird auch als die Geburtsstätte der Kultur angesehen. Dort, wo die Natur so reich und üppig sich entfaltet, daß der Mensch mit geringster Mühe seinen Lebensunterhalt sich erwerben kann, entwickelte sich vermutlich zuerst die höhere Kultur, wenigstens stammt von dort die älteste Kultur, die wir kennen, und verbreitete sich in dem Maße wie die Menschen sich vermehrten und neue Wohnpläze suchten, nach den verschiedensten Richtungen, namentlich nach Norden und Westen. Möglich, ja wahrscheinlich, daß schon sehr frühzeitig Siedler aus Vorderindien durch das arabische Meer nach dem südwestlichen Arabien, dem ungemein fruchtbaren Lande Jemen und von dort, durch das Rote Meer, nach dem nicht minder fruchtbaren und üppigen Niltal im nordöstlichen Afrika gelangten und sich von hier aus weiter verbreiteten.

 In der dicht zusammengedrängten Bevölkerung des Niltales, das auf der einen Seite das Rote Meer, auf der anderen die große lybische Wüste hat, gestaltete sich ein Staatswesen, das gleich dem indischen in ein starres Kastenwesen ausartete. Dahingegen war das ungeheure Gebiet des heutigen Arabiens und Syriens, mit seiner Abwechslung von fruchtbaren Landstrichen und seinen weiten Hochebenen ganz darnach angetan, der Bevölkerungszersplitterung Vorschub zu leisten und die starre Unterjochung und kastenartige Abscheidung zu verhindern. So bildete sich hier im Laufe der Jahrtausende statt eines strengen, nach Kasten abgeschlossenen Staatswesens, ein vielgestaltiges, reich gegliedertes Familien- und Stammesleben aus, das sich auf einen Flächenraum, fünfmal so groß als das deutsche Reich, verbreitete. Von gleicher Rasse, war die Bevölkerung sehr ungleich in Lebensweise und Beschäftigung. In dem fruchtbaren Boden des südöstlichen Arabiens, und in den Gegenden längs der Meeresküste entstand frühzeitig eine hohe Kultur, gefördert durch lebhaften Handel und Verkehr; dasselbe war im Norden in Syrien und längs der Küste der Fall, wo das phönizische Reich sich bildete und durch seinen Reichtum und seine Kultur eine Zeit lang das erste aller Reiche um das Mittelmeer herum wurde.

Im Inneren Arabiens, wo Berge und Wälder die Bildung von Feuchtigkeit in Gestalt häufiger Regen begünstigen und in Folge davon auf den mächtig ausgedehnten Hochebenen sich fettgrasige Weiden bildeten und zahlreichen Herden Nahrung boten, entwickelte sich ein nomadisches Hirtenleben mit seiner Einfachheit und Naturwüchsigkeit. Nur wenn im Frühjahr die heftig hereinbrechenden Gewitterregen erhebliche Strecken der angrenzenden Wüste unter Wasser sezten und wie mit einem Zauberschlage dem Boden einen üppigen Pflanzenwuchs entlockten, zogen die Hirten auf kurze Zeit in die Ebene. Streit und Zank der einzelnen Stämme um die besten Weideplätze blieben dabei nicht aus und nicht selten entstanden daraus blutige Fehden.

Andere Stämme des Volks, die auf den Oasen inmitten der Wüste oder am Saume derselben ihre Wohnpläze aufgeschlagen, trieben neben der Viehzucht mit Vorliebe die Jagd auf Berg- und Wüstentiere, hielten es aber auch, da schon sehr frühzeitig sich durch die Wüste Handelsstraßen zogen, für vorteilhaft, den Handelskarawanen aufzulauern und sie zu plündern. Diesem Teil des arabischen Volks wurde Kampf, Jagd und Raub sein Lebenselement. Der Streit um den Raub verfeindete sehr häufig die benachbarten Stämme; einer suchte dem anderen in dem Hinterhalt und durch den Überfall die Herden und die Frauen zu rauben. Wo ein Stamm sich zu schwach fühlte, sich dem anderen zu widersetzen, suchte er nach Bündnissen und so entstanden Kämpfe, in denen manchmal ganze Stämme ihren Untergang fanden.

 

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 6223
  • Hinzugefügt am 06. Sep 2014 - 13:16 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

die, mohamedanisch, arabische, kulturperiode, august, bebel

Einsteller: sophie-clark

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1 Kommentar

  1. sophie-clark

    August Bebel starb am 13. August 1913 in Passugg, Schweiz.

    Quelle:Wikipedia,August Bebel

    18. Nov 2015 - 14:37 Uhr

 

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