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Sammlung: Alfred Emil Brachvogel

Friedemann Bach Teil 01

o. J., Alfred Emil Brachvogel


 

 

I.

Wer, von Halle kommend, den nördlichen Teil des lieben Thüringens betritt und das helle, regsame Weimar grüßt, hat kaum einen Begriff von der Stille und Abschlossenheit, in der das Bethlehem deutscher Poesie zu Anfang des 18. Jahrhunderts lag. Die wenigen Wege, die in die träumerische, von duftenden Matten durchzogene Talmulde führten, waren kläglich, und wenn unser aufkeimendes Geschlecht eine Fahrt nach Paris, London oder gar Amerika für eine halbe Bagatelle hält, so war doch damals eine Reise von wenigen Tagen ein gar bedenkliches Ding, das sehr lange erwogen und ohne die äußerste, peinliche Vorsicht und Vorbereitung kaum unternommen wurde, von den unverhältnismäßig hohen Kosten gar nicht zu reden.

In jenen Zeiten der idyllischen Selbstgenügsamkeit waren auch die geistigen Verkehrsmittel, das Zusammenströmen, Verschmelzen und Ausdehnen der Ideen durch Wort und Schrift noch höchst lückenhaft; daher kam es, daß einer ein sehr großer Mann sein konnte und doch weniger gekannt war als heutzutage ein Schneider, der seine Ware in jeder Zeitungsnummer lobpreisen darf.

Auch Weimar barg zu jener Zeit einen solchen Schatz, einen Künstler, dessen ewig junge Schöpfungen schon damals bewundert, aber von den wenigsten gewürdigt und begriffen, von der Masse indessen ignoriert wurden. Hier und da kannten ihn wohl einige der Besten seiner Zeit und flochten ihm den Lorbeer, doch kein Zeitungsartikel erhob sein Verdienst; auch die große Kunst der Reklame war noch nicht geboren, und – wäre sie schon erfunden gewesen, der schlichte Meister im engen Häuschen zu Weimar, dort bei der Kirche, der hätte sich ihrer geschämt.

An einem reizenden Sommermorgen des Jahres 1717 kam auf schweißbedecktem Gaule ein Reiter die sogenannte große Straße, die von Sachsen herauf über Weimar nach Eisenach führte, einhergesprengt. Die Schöße seines zeisiggelben Rockes, der Busch seines ungeheuren, barettartigen Hutes fegten die Luft, und die unförmlichen Reiterstiefel kasteiten die Flanken seines Pferdes. Mit dem weißen Stabe, dem silbernen Wappen auf der Brust und dem Federmeer auf dem Haupt mußte man ihn für einen Herold halten, und wiewohl diese Gattung sehr werter deutscher Reichswürdenträger mit dem Dreißigjährigen Kriege schlafen gegangen war, schien er doch seinem Aus- sehen nach ein Glied dieser alten Gilde zu repräsentieren. Es war ein Kurier des Kurfürsten von Sachsen, August des Starken, an den Organisten Johann Sebastian Bach, der zum Staunen der guten Weimaraner vor jenem gebrech- lichen, von einem Gärtchen umschlossenen Hause abstieg, auf dessen Stelle später das Haus erbaut wurde, in dem Herder gelebt und gedichtet hat.


  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 6317
  • Hinzugefügt am 01. Okt 2014 - 14:38 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

friedemann, bach, albert, emil, brachvogel

Einsteller: sophie-clark

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1 Kommentar

  1. sophie-clark

    Das Leben des ältesten Sohnes von Johann Sebastian Bach.

    06. Nov 2015 - 16:13 Uhr

 

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