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Sammlung: Gottfried Keller
Kleider machen Leute Teil 01
1813-1890, Gottfried Keller
An einem unfreundlichen Novembertag wanderte ein armes Schneiderlein auf der Landstraße nach Goldach, einer kleinen reichen Stadt, die nur wenige Stunden von Seldwyla entfernt ist. Der Schneider trug in seiner Tasche nichts als einen Fingerhut, den er unablässig zwischen den Fingern drehte, wenn er der Kälte wegen die Hände in die Hosen steckte, und die Finger schmerzten ihm ordentlich von diesem Drehen und Reiben. Denn er hatte wegen des Konkurses irgendeines Seldwyler Schneidermeisters seinen Arbeitslohn mit der Arbeit zugleich verloren und ausziehen müssen. Er hatte noch nichts gefrühstückt als einige Schneeflocken, die ihm in den Mund geflogen waren, und er sah noch weniger, wo das nächste Mittagbrot herkommen sollte. Das Fechten fiel ihm äußerst schwer, ja schien ihm gänzlich unmöglich, weil er über seinem schwarzen Sonntagskleid, welches sein einziges war, einen weiten dunkelgrauen Radmantel trug, mit schwarzem Samt ausgeschlagen, der seinem Träger ein edles und romantisches Aussehen verlieh.
- Text-Herkunft: Gemeinfrei
- Text-ID 7929
- Hinzugefügt am 02. Mär 2015 - 14:03 Uhr
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