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Sammlung: Conrad Ferdinand Meyer

Gustav Adolfs Page Teil 01

1825-1898, Conrad Ferdinand Meyer


 

I

In dem Kontor eines unweit St. Sebald gelegenen nürembergischen Patrizierhauses saßen sich Vater und Sohn an einem geräumigen Schreibtische gegenüber, der Abwickelung eines bedeutenden Geschäftes mit gespanntester Aufmerksamkeit obliegend. Beide, jeder für sich auf seinem Stücke Papier, summierten sie dieselbe lange Reihe von Posten, um dann zu wünschbarer Sicherheit die beiden Ergebnisse zu vergleichen. Der schmächtige Jüngling, der dem Vater aus den Augen geschnitten war, erhob die spitze Nase zuerst von seinen zierlich geschriebenen Zahlen. Seine Addition war beendigt, und er wartete auf den bedächtigeren Vater, nicht ohne einen Anflug von Selbstgefälligkeit in dem schmalen sorgenhaften Gesichte – als ein Diener eintrat und ein Schreiben in großem Format mit einem schweren Siegel überreichte. Ein Kornett von den schwedischen Karabinieren habe es gebracht. Er beschaue sich jetzt nebenan den Ratssaal mit den weltberühmten Schildereien und werde pünktlich in einer Stunde sich wieder einfinden. Der Handelsherr erkannte auf den ersten Blick die kühnen Schriftzüge der Majestät des schwedischen Königs Gustav Adolf und erschrak ein wenig über die große Ehre des eigenhändigen Schreibens. Die Befürchtung lag nahe, der König, den er in seinem neuerbauten Hause, dem schönsten von Nüremberg, bewirtet und gefeiert hatte, möchte bei seinem patriotischen Gastfreunde ein Anleihen machen. Da er aber unermeßlich begütert war und die Gewissenhaftigkeit der schwedischen Rentkammer zu schätzen wußte, erbrach er das königliche Siegel ohne sonderliche Besorgnis und sogar mit dem Anfange eines prahlerischen Lächelns. Kaum aber hatte er die wenigen Zeilen des in königlicher Kürze verfaßten Schreibens überflogen, wurde er bleich wie über ihm die Stukkatur der Decke, welche in hervorquellenden Massen und aufdringlicher Gruppe die Opferung Isaaks durch den eigenen Vater Abraham darstellte. Und sein guter Sohn, der ihn beobachtete, erbleichte ebenfalls, aus der plötzlichen Entfärbung des vertrockneten Gesichtes auf ein großes Unheil ratend. Seine Bestürzung wuchs, als ihn der Alte über das Blatt weg mit einem wehmütigen Ausdrucke väterlicher Zärtlichkeit betrachtete. »Um Gottes willen«, stotterte der Jüngling, »was ist es, Vater?« Der alte Leubelfing, denn diesem vornehmen Handelsgeschlechte gehörten die beiden an, bot ihm das Blatt mit zitternder Hand. Der Jüngling las:

 

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 2419
  • Hinzugefügt am 27. Aug 2013 - 20:32 Uhr

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