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Sammlung: Victor Auburtin

Sylt 1921 Teil 01

o. J., Victor Auburtin

Zoologie

Wenn der D-Zug durch Schleswig-Holstein nach Norden fährt, so sei dem darin befindlichen Fahrgast geraten, sich inzwischen mit Zoologie zu beschäftigen.

Also zuerst wird er mit Freude bemerken, dass die Entente uns doch noch einige Milchkühe gelassen hat. Man sieht in dieser Landschaft mehr Milchkühe als Menschen, was der Landschaft nur zum Vorteil gereicht. Und man kommt zu der Erkenntnis, dass es nicht an den Kühen liegen kann, wenn die Milch so teuer ist. Es scheint noch irgend jemand anderes die Hand im Spiel zu haben zu haben.

Bei dieser Gelegenheit muss ich das Geständnis ablegen, dass ich nicht recht weiß, warum man diese Tiere immer ausdrücklich Milchkühe nennt. Was sollen es denn sonst für Kühe sein? Oder gibt es auch Kaffeekühe? Dann bedauere ich nur, dass ich noch keiner von ihnen begegnet bin.

Nun kommt der D-Zug an einer Katze vorüber, die im Gras auf die Jagd geht. Sie wirft uns nur einen kurzen missbilligenden Blick zu und widmet sich darauf gelassen wieder ihrer Beschäftigung. Ganz deutlich hat sie in diesem Augenblick gedacht: »Muss die Bande gerade jetzt vorbeikommen?«

Ich finde es so reizend, dass die Züge jetzt so langsam fahren. Man hat viel mehr vom Leben.

Da liegt auf der Wiese ein Pferd lang ausgestreckt, als sei es tot. Es ist aber gar nicht tot, es erlaubt sich nur, auch einmal im Liegen zu schlafen wie sonst alle andere Kreaturen und das ist ein Anblick, den man nur zu selten hat und der jedem Herzen wohl tun muss. Das Schönste aber daran ist, dass dieses Pferd eine Stute ist und ihr Fohlen bei sich hat. Das Fohlen liegt ebenfalls ausgestreckt bei der Mutter und trinkt und schläft zur gleichen Zeit.

Daraufhin bleibt der Zug auf offener Strecke stehen, entweder weil er die letzten drei Meter schneller gefahren ist, als ihm die neue Vorschrift erlaubt, oder weil sonst etwas nicht in Ordnung ist. Wir lassen die Fenster herunter, stecken die Köpfe hinaus und werden dabei jetzt erst gewahr, dass während der ganzen Zeit über uns die Lerchen am Werk gewesen sind. Zu Hunderten hängen sie in der Luft, hingerissen in ihrem wilden, süßen, sonnenseligen Gesang und über der ganzen Juniwiesenwelt ist ein goldenes Netz von Klingen und von Lebenslust gespannt.

Wir Fahrgäste aber wenden uns an den Schaffner mit den Worten: »Was ist denn das für eine infame Bummelei, dass der Zug hier so lange stehenbleibt!«

 

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  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 4518
  • Hinzugefügt am 27. Feb 2014 - 13:38 Uhr

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Sylt-1921, Victor-Auburtin, Erzählung, Zwischenkriegszeit, Grenze

Einsteller: sophie-clark

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