Text-Suche
Anmeldung
Wer ist online
1 registrierter Benutzer und 70 Gäste online.
Noch nicht registriert oder angemeldet. Hier registrieren.
Sammlung: Johanna Spyri 02
Daheim und in der Fremde Teil 01
1902, Johanna Spyri
Am alten Pfarrhaus waren die Junirosen erblüht und erfüllten den ganzen Garten mit süßem Duft. Der frühe Flieder war vorüber, nur die Blätter waren noch schön grün am Gebüsch und flüsterten über der Bank im leisen Abendhauch. Auf der Bank saß der würdige alte Pastor mit dem schwarzen Samtkäppchen auf dem Kopf und rauchte friedlich aus seiner langen Pfeife. An seiner Seite, wie fast zu jeder Zeit, saß seine kleine, feine Frau, der einige schon grau gefärbte Löckchen unter der weißen Haube hervorfallend, anmutig die kluge Stirn zierten. Mit ihren zarten Händen schälte sie die grünen Erbsen aus den Hülsen, die eben im sauberen Körbchen vor sie hingestellt worden waren von der gewandten Martha, ihrer hoch gewachsenen Tochter, die sich nun zu den Stauden zurückgewandt hatte, um ihre Früchte zu Ende zu pflücken. Eben fing die Betglocke der nahen Kirche zu läuten an, den Schluss der Woche verkündend und zum Feierabend einladend alle, die noch in des Tages Mühe und Arbeit standen. Auf und nieder wogten die Glockenklänge und tönten in den Garten herüber. Da legte der Pastor seine Pfeife weg, faltete die Hände und sagte mit der ihm eigenen kindlichen Innigkeit:
»Die Woche ist beendet,
das Tagewerk vollendet,
vergessen Not und Schmerz.
Es kommt ein heiliger Morgen,
am Sabbat ruhen die Sorgen,
so ruhe denn, mein Herz!«
Martha war hinzugetreten, auch die Mutter hatte ihre Hände gefaltet in den Schoß gelegt. Schweigend hörten sie alle drei den verklingenden Glockentönen zu.
Auf der Rosenhecke lag leuchtend der Abendschein. Die Luft war still geworden; ein friedliches zur Ruhegehen war über Baum und Flur und Wald gehaucht.
Zu späterer Stunde saßen Vater, Mutter und Tochter bei der Lampe im Pfarrstübchen. Auf die kleine Bank unten am Tisch hatte sich eben das Dienstmädchen hingesetzt, die junge Rosine, die immer und auch jetzt trotz der ernsthaften Miene, die sie aufgesetzt hatte, sehr lustig aus den hellen Augen schaute.
- Text-Herkunft: Gemeinfrei
- Text-ID 8249
- Hinzugefügt am 29. Jan 2021 - 09:55 Uhr
Aufrufe: 23 | Downloads: 0
Verwandte Suchbegriffe
Daheim-und-in-der-Fremde, Johanna-Spyri, Erzählung, Garten, Pastor
Einsteller: sophie-clark
Alle Texte der Sammlung "Johanna Spyri 02"
Prosa > Epik > ErzählungJohanna Spyri | in: Johanna Spyri 02 | 1902
Daheim und in der Fremde Teil 01
mehr…Am alten Pfarrhaus waren die Junirosen erblüht und erfüllten den ganzen Garten mit süßem Duft. Der frühe Flieder war vorüber, nur die Blätter waren noch schön
Noch keine Kommentare vorhanden.