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Sammlung: Ferdinand von Saar 02

Der Brauer von Habrovan Teil 01

1833-1906, Ferdinand von Saar


 

I

 

Die Bevölkerung der Ortschaft, wo ich so manchen Sommer und Winter zubrachte, wurde eines Tages durch ein außerordentliches Ereignis in die größte Aufregung versetzt. Ein dort ansässiger Schuhmacher hatte seine junge Frau aus – wie es hieß – grundloser Eifersucht ermordet und sich dann, nachdem er eine Zeitlang in den nahen Wäldern umhergeirrt, dem Gericht gestellt. Wie begreiflich, wurde für das entseelte Opfer allgemein Partei ergriffen. Namentlich die Frauen konnten kein Ende finden, den unmenschlichen Wüterich zu verdammen, den sie schon jetzt am Galgen baumeln sahen. Sie priesen laut die häuslichen Tugenden, durch die sich die Tote im Leben ausgezeichnet, und schworen hoch und heilig, daß sie, wenn auch ein wenig gefallsüchtig, doch die treueste Ehefrau gewesen, die jemals auf Erden gewandelt hatte. Aber auch die Männer, die in dieser Hinsicht nur wenig Corpsgeist besitzen, zogen über den Übeltäter her. Sie nannten ihn einen elenden Säufer und hirnverbrannten Narren, seit jeher unwürdig der schönen Frau, das er, der ruppige, pechgeschwärzte Kerl, besessen hatte. Und schön war sie, die Schustersfrau, das konnte ich selbst bezeugen. Zwar ihr Gesicht verdiente diese Bezeichnung nicht eigentlich. Denn es war breit, stumpfnasig und überdies stark mit Sommersprossen behaftet. Aber lebhafte schwarze Augen, leicht gekraustes rotbraunes Haar und ein eigentümlich lachender Zug um den frischen Mund verliehen diesem Gesicht um so mehr Reiz, als auch die ganze Gestalt in ihrer biegsamen Schlankheit höchst anziehend war. Zumal in der heißen Jahreszeit, wo sie sich immer möglichst leicht bekleidet sehen ließ. Wenn sie so, außerdem noch hochgeschürzt, blink und blank bis über die Knöchel in dem seichten Wasser des an ihrem Hause vorüberfließenden Baches stand, Geschirr oder Wäsche reinigend, da konnte man nicht umhin, sie wohlgefällig zu betrachten. Sie wußte das auch und vollführte dann, durchaus nicht ohne Absicht, die anmutigsten Bewegungen, so daß mir jetzt die Eifersucht ihres Mannes keineswegs unbegreiflich erschien.


  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 3176
  • Hinzugefügt am 13. Jan 2014 - 15:41 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Der-Brauer-von-Habrovan, Ferdinand-von-Saar, Erzählung, Frau, Eifersucht

Einsteller: sophie-clark

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