Text-Suche

Wer ist online

1 registrierter Benutzer und 100 Gäste online.

Noch nicht registriert oder angemeldet. Hier registrieren.

Sammlung: Ernst von Wolzogen

Das Meikatel und der Sexack Teil 01

1855-1934, Ernst von Wolzogen

Es war ein warmer Juninachmittag, an dem der Herr Sexack, der Pfarrvikar von Harreberg im Lothringischen, im Schweiße seines Angesichts, die bepackte alte Kraxe auf dem Rücken, aus dem Zorntal hinauf in die Berge stieg.

»Uff! Wie ist das heiß!«, seufzte er und blieb stehen, um ein wenig zu verschnaufen. Er zog aus der Brusttasche seines etwas fadenscheinigen schwarzen Rockes ein großes buntes Sacktuch hervor und trocknete sich die Stirn. Dann suchte er in dem steil aufragenden Wegrand einen Absatz, auf den er seine schwere Kraxe aufstützen konnte. Als er den gefunden hatte, lehnte er sich vergnügt gegen die steinige Wand, stieß die eiserne Spitze seines dicken Stockes gerade vor sich in die Erde und sah in das schöne Tal hinab.

Jenseits lagen die prächtigen mit Buchen, Eichen und Tannen dicht bewachsenen Bergrücken, über die hier und dort seltsam geformte Felsen hervorragten und an der in kühnen Windungen ein Eisenbahnzug  die halsbrecherische Strecke dahinsauste, unten floss der Rhein-Marne-Kanal ruhig fort, trug hochbeladene Kähne nach Straßburg hinunter. Dann zog sich die breite Chaussee, bald auf, bald unter dem Spiegel des Kanals, diesseits lag die frische grüne Fläche, wie ein weicher moosiger Teppich über den sanft abfallenden Berg mit den roten Sandsteinfelsen gebreitet, die zahlreich verstreut aus dem üppigen Grün hervorschimmerten, und auf der Hochebene die wogenden Felder, aus denen der Fels der Dachsburg und die strohgedeckten Dächer eines Dörfchens auftauchten . . . ja, es war wunderschön!

Man sah es dem frohen Gesicht des Herrn Vikar Sexack an, wie wohl ihm war beim Anblick seines herrlichen Heimatlandes. Er holte aus der abgrundtiefen und mit allen möglichen Gegenständen des täglichen Gebrauchs vollgestopften Brusttasche eine alte Tabaksdose hervor und nahm eine Prise. Dann blickte er bedächtig zu Boden und wartete mit leicht gerunzelter Stirn, als ob er einem philosophischen Problem nachsinne, das Niesen ab. Als dies vollbracht war, blickte er lächelnd auf und wischte sich mit dem Rücken der rechten Hand, in der er noch die Dose hielt, eine Träne aus dem Auge.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 5032
  • Hinzugefügt am 11. Apr 2014 - 18:04 Uhr

Aufrufe: 194 | Downloads: 0 | Der Text hat 8 Empfehlungen in sozialen Netzwerken.

Verwandte Suchbegriffe

Pfarrvikar, Berg, Rock, Stirn, Heimatland

Einsteller: sophie-clark

Kommentieren

Noch keine Kommentare vorhanden.

 

Alle Texte der Sammlung "Ernst von Wolzogen"

Prosa > Epik > ErzählungErnst von Wolzogen | in: Ernst von Wolzogen | 1855-1934

Das Meikatel und der Sexack Teil 01

mehr…

Es war ein warmer Juninachmittag, an dem der Herr Sexack, der Pfarrvikar  von Harreberg im Lothringischen, im Schweiße seines Angesichts, die bepackte alte Kraxe