Erstes Kapitel

Als der Verfasser seinen vierzigsten Geburtstag feierte (an dem bekanntlich die Schwaben ihren richtigen Verstand kriegen und gescheit werden, denn sonst bleiben sie eben so dumm wie die anderen Bewohner des heiligen deutschen Reiches), sollte er abends zum Dank für all die schönen Sträuße und Glückwünsche ein Stück aus seinem Leben erzählen. Nun gibt es aber kein wonnevolleres Stück darin, als den Morgen, zumal wenn es auf den Abend zugeht. Da war alles so frisch und duftig, so voll Tau und Sonnenschein, da und dort auch ein Stückchen Nebel und Wolken dazwischen. Wahrheit und Dichtung, Selbsterlebtes und Gehörtes geht da bunt durcheinander. Denn manchmal ruft der Bruder beim Erzählen: »Halt, das bist nicht du, sondern ich gewesen,« aber es ist einem doch, als hätte man es selbst erlebt. So nahm ich den Morgen vor zum Erzählen oder auch das unterste Stockwerk, die Zeit vom ersten bis zum zehnten Jahr. Denn dann zieht man hinauf in den nächsten zehn Jahren in den Zwischenstock, danach in die Beletage, die die Zwanziger und Dreißiger umfasst, dann geht es schon in den vierten Stock, und so immer höher hinauf in den fünften, sechsten und siebenten, und je höher hinauf, desto beschwerlicher ist das Treppensteigen, aber auch immer näher und höher dem Himmel zu. Und von oben herunter sieht man auf das Treiben der Menschen herab. Die kommen einem, je höher hinauf man gezogen ist, desto kleiner da drunten vor in ihrem Rennen und Treiben. Man denkt aber daran, wie man sich selber einst auch da herumgetrieben hat, zwischen Menschen, Pferden und Wagen, den Ball gespielt und unbesorgt seinen Tanzknopf den Spaziergängern zwischen die Beine gejagt, und kann sich auch wieder freuen an all dem bunten Treiben und ist nur froh, dass man es nicht noch einmal durchzumachen hat. 

Aus der Chronik eines geistlichen Herrn

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