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Sammlung: Edward Bulwer-Lytton

Das Haus des schwarzen Magiers Teil 01

1859, Edward Bulwer-Lytton

Einer meiner Freunde, ein Schriftsteller und Philosoph, sagte eines Tages halb im Ernst, halb im Scherz zu mir: «Denke Dir, seit wir uns das letzte Mal sahen, habe ich mitten in London ein Haus entdeckt, in dem Geister umgehen.«

»Was Du sagst! Ein Haus, in dem es spukt! Was geht denn darin um, wirkliche Geister?«

»Das kann ich Dir wirklich nicht sagen. Alles was ich darüber weiß, ist Folgendes: Vor sechs Wochen suchten meine Frau und ich ein möbliertes Zimmer. Während wir eine ruhige Straße entlang gingen, sahen wir an dem Fenster eines der Häuser einen Zettel mit der Aufschrift ›Möblierte Zimmer zu vermieten.‹ Die Lage sagte uns zu, wir traten in das Haus ein, die Zimmer gefielen uns, wir mieteten sie auf wöchentliche Kündigung – und verließen sie bereits nach drei Tagen wieder. Keine Macht der Erde hätte meine Frau bewegen können, länger in der Wohnung zu bleiben, und ich muß gestehen, daß ich dies begriff.«

»Nun, was ist Euch denn darin zugestoßen?«

»Weißt Du, ich möchte wirklich nicht in Deinen Augen lächerlich erscheinen oder von Dir als ein abergläubischer Träumer betrachtet werden, aber andererseits kann ich auch nicht verlangen, daß Du auf meine bloße Versicherung hin mir etwas glauben sollst, was jeder bezweifeln würde, der das nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Ich will Dir nur das Eine sagen: Wir sind weniger durch etwas wirklich Gehörtes oder Gesehenes aus dieser Wohnung vertrieben worden, nein, es war vielmehr ein unbeschreibliches Grauen, das meine Frau und mich befiel, so oft wir an der Tür eines gewissen kleinen leeren Zimmers vorbeikamen, obschon wir nicht gerade etwas Bestimmtes aus dem Zimmer hörten oder sahen. Bei der Gelegenheit stimmte ich zum ersten Mal in meinem Leben mit meiner Frau überein; ich mußte ihr wirklich, nachdem die dritte Nacht vorübergegangen war, darin beipflichten, daß es unmöglich sei, noch eine vierte Nacht in diesem Hause durchzumachen. Kurzum, ich suchte am Morgen des vierten Tages die Vermieterin auf, sagte ihr, daß die Zimmer nicht ganz unseren Wünschen entsprächen und wir deshalb schon vorzeitig die Wohnung verlassen wollten. Während ich ihr den vereinbarten Preis bezahlte, sagte sie ganz trocken: »Ich weiß, weshalb Sie auszuziehen wünschen. Immerhin, Sie sind bereits schon länger hier geblieben als irgend einer Ihrer Vorgänger. Wenige brachten eine zweite Nacht hier zu, niemand aber vor ihnen eine dritte. Es scheint, ›sie‹ haben sich gütig gegen Sie benommen«.

»Sie? – Wen meinen Sie damit?« fragte ich, indem ich gezwungen dazu lächelte.

»Sie – je nun, ich meine diejenigen, die in diesem Hause umgehen; mögen sie sein, wer sie wollen; mich stören sie nicht, ich kümmere mich einfach nicht um sie. Aber ich erinnere mich ihrer Gegenwart schon seit langen Jahren, schon seit damals, als ich dieses Haus noch nicht in abhängiger Stellung bewohnte. Jedenfalls weiß ich, daß ›sie‹ einst die Ursache meines Todes sein werden. Doch, was tut das – ich bin alt und später oder früher muß ich doch sowieso einmal sterben und dann lebe ich doch in diesem Hause mit ›ihnen‹ fort.«

Die Frau sprach diese Worte mit so schwermütiger Resignation, daß mich eine Art von Scheu davon abhielt, weiter mit ihr über diese geheimnisvollen Dinge zu reden. Meine Frau und ich waren froh, daß wir ohne Weiterungen aus dem Hause davon kamen.«

 »Du erregst meine Neugier außerordentlich, lieber Freund,« entgegnete ich. »Ich muß gestehen, daß es mich beispielsweise sehr stark reizen würde, einmal in einem Hause zu schlafen, in welchem Gespenster umgehen! Bitte, gib mir doch die Adresse der Wohnung, die Ihr so fluchtartig verlassen habt.«

Mein Freund gab mir die Adresse und nachdem wir geschieden waren, suchte ich unverweilt das bezeichnete Stadtviertel auf. Das Haus lag auf der nördlichen Seite der Oxfordstraße in einer düsteren aber anständigen Quergasse. Das Haus war verschlossen. Diesmal war kein Vermietungszettel an ihm zu erblicken und auf mein Klopfen erhielt ich auch keine Antwort. Eben wollte ich mich wegwenden, als ein junger Bursche, der leere Zinnkrüge aus den Nachbarhäusern eingesammelt hatte, auf mich zutrat und mich höflich fragte, »Mein Herr, suchen Sie Jemand in diesem Hause?«

»Allerdings! Ich hörte, hier sei eine Wohnung zu vermieten.«

»Eine Wohnung zu vermieten? Das sollte mich aber wirklich wundern. Die Vermieterin ist schon seit drei Wochen tot und niemand findet sich, der Lust hätte, sich mit dem Hause zu befassen, obgleich Herr Jackson eine reichliche Bezahlung dafür aussetzte. Er bot meiner Mutter, die bei ihm arbeitet, ein Pfund wöchentlich an, nur dafür, daß sie täglich die Fenster öffnen und schließen solle. Doch meine Mutter mochte dieses Anerbieten nicht annehmen.«

»Sie mochte nicht? Warum denn nicht?«

»Weil es hier spukt! Die alte Frau, die das Haus bisher gehütet hatte, wurde eines Tages mit weit aufgerissenen Augen tot in ihrem Bette aufgefunden. Die Leute sagten, der Teufel habe sie erdrosselt!«

»Das ist ja ganz schrecklich! Doch Du nanntest mir eben Herrn Jackson; ist das der Eigentümer dieses verrufenen Hauses?«

»Freilich!«

»Wo wohnt er denn?«

»In der Gibbonstraße Nr. 5.«

»Was ist denn Herr Jackson von Beruf? Hat er irgend ein Geschäft?«

»Nein, das ist nicht der Fall, er treibt nichts besonderes; er lebt für sich allein.«

Ich gab dem Burschen für seine bereitwilligen Auskünfte ein wohlverdientes Trinkgeld und machte mich schleunigst auf den Weg nach Herrn Jacksons Wohnung. Die Gibbonstraße war nicht weit entfernt von der Straße, wo das Spukhaus stand. Ich war auch vom Glück begünstigt, den Eigentümer zu Hause anzutreffen; es war ein schon ältlicher Mann mit einem klugen Gesicht und von einnehmendem Wesen. Nachdem ich mich vorgestellt hatte, kam ich mit meinem Anliegen ohne weitere Umschweife heraus und sagte ihm, ich hätte gehört, daß jenes Haus als ein unheimliches verschrieen sei, daß ich aber gleichwohl ein außerordentliches Verlangen hätte, einmal in solchen Räumen weilen zu können, die in einem so merkwürdigen Rufe ständen. Ich würde ihm zu größtem Dank verpflichtet sein, wenn er jene Wohnung mir mietweise nur für eine Nacht zur Verfügung stellen wollte. Ich wäre bereit, für seine Gefälligkeit jeden Preis, den er verlangen möchte, zu bezahlen.

 »Mein Herr,« antwortete Herr Jackson mit ausgesuchter Höflichkeit, »ich stelle Ihnen das Haus ganz zur Verfügung auf so lange oder kurze Zeit, wie es Ihnen beliebt. Ich will auch ganz davon absehen, dafür eine Miete anzunehmen. – Ja, ich wäre Ihnen sogar zu Dank verpflichtet, falls Sie möglicherweise die Ursache jener seltsamen Erscheinungen herausbekämen, welche gegenwärtig das Haus ganz unvermietbar und daher völlig wertlos machen. Denn nicht nur, daß ich keine Mieter finde, es findet sich nicht einmal jemand, der es in Ordnung halten und etwaigen Anfragern Auskunft geben möchte. Es ist eben nicht zu leugnen, daß es in dem Hause unglücklicherweise spukt (wenn man diesen Ausdruck dafür gebrauchen darf), und zwar geschieht dies nicht nur bei Nacht, sondern sogar am hellerlichten Tage, obschon die Ruhestörungen und merkwürdigen Erscheinungen während der Nacht natürlicherweise einen noch unheimlicheren, ja manchmal geradezu entsetzlichen Charakter haben. Die arme Alte, die vor drei Wochen darin ein so plötzliches Ende gefunden hat, habe ich seiner Zeit aus dem Armenhause befreit. In meiner Familie hatte sie schon als Kind verkehrt, wie sie überhaupt früher bessere Tage gesehen hatte. Ja, sie befand sich sogar einst in so guten Verhältnissen, daß es ihr möglich war, von meinem Oheim jenes Haus zu mieten, in welchem sie ihren Tod gefunden hat. Die Alte hatte in ihrer Jugend eine ganz leidliche Erziehung genossen; sie besaß einen gesunden Verstand und war das einzige Wesen, welches ich jemals zu überreden vermochte, in jenem Hause auszuhalten. Nachdem sich aber nach ihrem so plötzlichen Tode, dessen Art durch den Leichenbeschauer in der Nachbarschaft herumgetragen wurde, dort das Gerücht von der Unheimlichkeit des Hauses weiter und immer weiter verbreitet hat, muß ich schier daran verzweifeln, ihre Stelle wieder besetzt zu sehen, geschweige einen regelrechten Mieter zu finden. Dabei würde ich heute das Haus jedermann gern unentgeltlich für ein Jahr überlassen, der sich nur verpflichtete, die Steuern und Taxen dafür zu bezahlen.«

 »Seit wann trägt denn eigentlich dieses Haus den unheimlichen Charakter an sich?«

»Dies Ihnen genau zu beantworten, bin ich kaum in der Lage. – Jedenfalls ist es schon sehr lange her. Die alte Frau, mit der ich einmal darüber sprach, meinte, daß es schon vor 30 bis 40 Jahren, bevor sie in das Haus gezogen sei, darin gespukt habe. Ich selber habe den größten Teil meines Lebens in Ostindien zugebracht, erst im vorigen Jahre bin ich nach England zurückgekommen, um die Erbschaft jenes Oheims anzutreten, unter dessen Nachlasse sich auch dieses Haus befand. Als ich es übernahm, waren Fensterläden und Türen dicht verschlossen, es war unbewohnt. Das Gerücht ging um, es hausten Gespenster darin und deshalb verstünde sich niemand dazu, in ihm zu wohnen. Ich lächelte anfangs über dieses Märchen, ja ich zögerte nicht, einiges Geld auszugeben, um das Innere und Äußere des Hauses wieder instand zu setzen. Ich ergänzte den altväterischen Haushalt durch einige neue hübsche Möbel, kündigte dann die Wohnung öffentlich an und erhielt auch bald einen Mieter auf ein Jahr.

Es war ein Oberst a. D. Er bezog das Haus mit seiner Familie, die aus Tochter, Sohn und vier bis fünf Dienstboten bestand. Am nächsten Tage schon verließen sie sämtlich das Haus. Alle waren von dem äußersten Entsetzen erfüllt, allen war Schreckliches begegnet, obschon Jeder etwas anderes wahrgenommen haben wollte.

Bei dieser Sachlage konnte ich es nicht über mich gewinnen, den Oberst etwa wegen des Kontraktbruches gerichtlich belangen zu lassen – ja es war mir nicht einmal möglich, ihn wegen seines Verhaltens zur Rede zu stellen. So wies ich denn jener Alten eine Stellung als Hüterin des Hauses an und bevollmächtigte sie, das ganze Grundstück, in einzelne kleine möblierte Wohnungen geteilt, zu vermieten. Aber was half es – niemals hatte ich einen Mieter, der länger als drei Tage geblieben wäre.

Es erübrigt sich, Ihnen all die einzelnen Geschichten zu berichten, von denen mir die Mieter erzählten. Nicht zwei Mieter haben nämlich die gleiche Erscheinung gehabt! Jedoch, mein Herr, das Beste ist, Sie schöpfen aus eigener Anschauung ein Urteil, bevor Sie das Haus mit einer vorgefaßten Anschauung betreten. Freilich müssen Sie sich dagegen wappnen, allerhand Ungewöhnliches zu sehen oder zu hören und Sie tun gut daran, alle Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, die Ihnen zu Ihrer Sicherheit nötig erscheinen.«

»Haben Sie selbst, Herr Jackson, nie ein Verlangen verspürt, einmal eine Nacht in jenem Hause zuzubringen?«

»Gewiß! Zwar bin ich keine Nacht über dort geblieben, aber drei Stunden bei hellem Tageslicht. Meine Neugierde ist allerdings nicht ganz befriedigt worden, aber doch so weit gedämpft, daß ich wahrhaftig nicht den Wunsch hege, das Experiment je wieder zu erneuern. Jedenfalls sehen Sie, mein Herr, daß ich Ihnen durchaus nicht irgend etwas verschweige, und wenn Ihr Verlangen nicht ganz besonders dringend und Ihr Nervensystem nicht ausnehmend widerstandsfähig ist, dann möchte ich Ihnen lieber raten, von einer solchen Nacht in jenem Hause abzusehen.«

»Nein, mein Interesse ist ein zu starkes,« sagte ich. »Nur ein Feigling versteckt sich hinter die Zartheit seiner Nerven, sobald es darauf ankommt, in einer ungewöhnlichen Lage auszuharren; übrigens sind meine Nerven durch Gefahren aller Art abgehärtet. Ich kann mich durchaus auf sie verlassen – selbst Geistern gegenüber!«

 Herr Jackson schien keine Gegengründe mehr vorbringen zu können. Er nahm die Schlüssel zu dem verhängnisvollen Hause aus seinem Schreibpulte, überreichte sie mir und indem ich ihm aufrichtig für sein Entgegenkommen und die liebenswürdige Erfüllung meines Begehrens dankte, eilte ich mit den Schlüsseln triumphierend von dannen. Zu Hause angelangt, beeilte ich mich, brennend vor Ungeduld, meinen treuen Diener von der Sache in Kenntnis zu setzen. Es war ein junger Mensch von feurigem Temperament, furchtlos von Charakter und freier von abergläubischen Vorurteilen wie sonst irgend jemand.

»Frank,« sagte ich zu ihm, »kannst Du Dich noch besinnen, wie wir in Deutschland einst in einem alten Schlosse übernachteten und erheblich enttäuscht waren, als uns jenes Gespenst nicht erschien, das darin umgehen sollte! Weißt Du noch: jenes Gespenst ohne Kopf? – Nun habe ich soeben von einem Hause hier in London gehört, von welchem das Gerücht geht, daß dort die Geister sich weniger zurückhaltend benehmen. Dort möchte ich nun einmal eine Nacht zubringen. Ich kann nach allem, was ich gehört habe, auf keinen Fall daran zweifeln, daß wir dort etwas sehr merkwürdiges hören oder sehen werden – vielleicht unter Umständen sogar einmal etwas haarsträubendes. Wenn ich Dich nun mit dahin nehme, Frank, kann ich mich da auch mit Sicherheit auf Deine Geistesgegenwart verlassen, möge sich dort auch ereignen, was es auch immer sein möge?«

»Aber gewiß Herr, Sie können sich völlig auf mich verlassen,« antwortete Frank, der vor freudiger Erwartung förmlich strahlte.

»Nun schön. Hier ist die Adresse und der Schlüssel zu jenem Hause. Geh nun voraus, wähle mir nach Deinem Belieben ein Schlafzimmer dort aus und da schon seit Wochen jenes Haus unbewohnt ist und keine Seele die Räume betreten hat, so mache ein ordentliches Feuer, lüfte die Betten gehörig und sorge dafür, daß Lichter und Brennstoff in genügender Weise vorhanden sind. Zu Deiner Sicherheit kannst Du hier meinen Revolver und meinen Dolch mitnehmen – so bist Du wohlausgerüstet, und wenn wir nachher nicht selbst einem ganzen Dutzend Gespenstern gewachsen wären, dann wären wir wahrhaftig ein paar traurige Wichte.«

Da ich nun für den Rest des Abends durch Geschäfte dringender Natur sehr in Anspruch genommen war, blieb mir nicht einmal Muße, über das zu erwartende nächtliche Abenteuer, das zu bestehen mir förmlich ein Ehrenpunkt geworden war, groß nachzugrübeln.

Ich nahm mein Abendbrot ziemlich spät und allein ein, wobei ich nach meiner alten Gewohnheit während des Essens las. Die Lektüre, die ich gewählt hatte, waren Macaulays Essays. Ich beschloß, das Buch mit in das Haus zu nehmen, denn es war von so kernigem Stil, es enthielt so viel gesunde Lebensweisheit, daß es mir förmlich wie ein praktisches Gegengift gegen die Einflüsse überreizter Phantasie und abergläubischer Einbildungen dienen konnte.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 4657
  • Hinzugefügt am 07. Mär 2014 - 07:35 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

freund, philosoph, scherz, geister, erde

Einsteller: sophie-clark

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2 Kommentare

  1. sophie-clark

    Abenteuer in einem Spukhaus.

    28. Okt 2015 - 08:23 Uhr

  2. sophie-clark

    Im nächsten Teil:Der Erzähler begibt sich zu dem geheimnisvollen Haus

    16. Dez 2015 - 16:00 Uhr

 

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