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Sammlung: Carl Sternheim

Tabula rasa Teil 01

1878-1942, Carl Sternheim

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Inhaltsangabe

 

Personen

       

 

Wilhelm Ständer 
Isolde Ständerseine Nichte und Mündel 
Heinrich Flocke 
Artur Flockesein Sohn 
Nettel Flockeseine Tochter 
Werner Sturm 
Paul Schippel 
BerthaMagd bei Ständer 
Der Arzt

Die Szene ist dauernd die bürgerliche Wohnstube Ständers

 

Erster Aufzug

 

Erster Auftritt

Bertha. Nach fünf Jahren Dienst hätte man Aufbesserung verdient.

Ständer. Ich bin Arbeiter wie du. Simpler Glasbläser und habe nicht das Recht, von anderen Dienste zu fordern. Du dienst nicht bei mir. Unser Verhältnis ...

Bertha. Davon wollte ich nicht sprechen.

Ständer. ...beruht auf einem Gegenseitigkeitsvertrag nach dem du gegen Unterhalt und Verpflegung die Führung meines Haushalts freiwillig übernahmst.

Bertha. Mit einem Monatslohn.

Ständer. Einem Geschenk, das ich jeden Monatsersten wiederhole. Hast du dir einfallen lassen, es vor den Nachbarn hinzustellen, als seist du Magd im Haus?

Bertha. Ich spreche mit niemandem.

Ständer. Was soll die Welt denken? Ein Arbeiter, der für sich arbeiten lässt. Ein Proletarier, der Dienstboten hält!

Bertha. Wenn ich aber um halb sechs Uhr früh aufstehen muss!

Ständer. Übereinkunft!

Bertha. Schweine füttern, den Abtritt räumen!

Ständer. Gesellschaftsvertrag!

Bertha. Bis in die Nacht mich schinde, um im Bett noch keine Ruhe zu haben.

Ständer. Das geht dich als Frau an. Ist außerhalb der Abmachung.

Bertha. Sie wollen mir den Lohn nicht erhöhen?

Ständer. Du hast zum Donnerwetter keinen! Freiwilliger Vertrag.

Bertha. Ich will einen neuen mit Ihnen machen. Fünf Mark monatlich mehr. Freiwillig.

Ständer. Du freiwillig. Aber ich nicht. Das ist doch der Unterschied zwischen Dienstbarkeit und freiem Verhältnis. Die Dienstmagd lässt sich den Dienst bis auf den Pfennig vom Herrn entgelten. Du aber widmest dem Genossen deine Kraft auf Gegenseitigkeit und wahrst Menschenwürde.

Bertha. Wenn ich wie ein Tier schufte.

Ständer. Aus freiem Antrieb. Was du an Entschädigung von mir erhältst, wiegt deine Arbeit nicht auf. Folglich kann der Lohn nicht Veranlassung sein, aber deine menschliche Tugend. Du bist ganz einfach tugendhaft. Bertha, musst es selbst gar nicht wissen. Es genügt, dir strahlt jetzt das Auge. Du fühlst, da ich es dir zugestehe, innen großes Glück. Ja, menschlich wohl bereitet und damit basta!

Bertha. Wäre nur der Schweinestall nicht!

Ständer. An einem Morgen, du fühlst dich stark, hast gut geschlafen und merkst, was du im Grunde für ein unabhängiges Geschöpf bist, räumst du ihn einmal gründlich und von allen Seiten auf. Er braucht es. Das ist der Segen eines solchen Vertragsverhältnisses. Da man zu nichts gezwungen ist, treibt einen das Bedürfnis, sich selbst zu übertreffen, zu immer größerer Arbeitsleistung. Und du bist ein Muster dieser Regel.

Bertha. Fünf Mark!

Ständer. Fragst du dich, was du günstigenfalls mit deinem Leben anfängst, heißt die Antwort, was du auch wirklich leistest. Diese Gewissheit ist höchster Lohn des Daseins, den ich nicht überbieten kann.

Bertha. Dann soll ich in meinem alten Kleid das Fest mitmachen?

Ständer. Bis dahin hat es Zeit und wer weiß, was noch geschieht.

Bertha. Aber der Tag kommt bestimmt, an dem die Fabriken hundert Jahre stehen.

Ständer. Sicher. Doch ob ein Mensch Lust haben wird, ihn zu feiern? Warte es ab.

Bertha. Dann ist es zu spät.

Ständer. Dein prachtvolles Bewusstsein!

Bertha. Schon.

Ständer. Das leuchtende Auge!

Bertha. Nur...

Ständer. Wie hübsch du bist, Mädel, vor lauter gutem Gewissen und Glück.

Bertha. Ach, Herr Ständer!

Ständer (tätschelt sie). Siehst du.

Bertha. Sie haben am Ende recht.

Ständer. Und nun noch ein Stündchen fest an die Arbeit. Und stehst du von morgen ab um fünf Uhr auf, wird es nicht ungern gesehen.

Bertha (Ab).

Ständer. Ihre ständige Unzufriedenheit hält sie lebendig, das ist ein Glück für mich.

 

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  • Hinzugefügt am 16. Apr 2014 - 14:28 Uhr

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Einsteller: sophie-clark

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