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Sammlung: Emanuel Geibel

Echtes Gold wird klar im Feuer Teil 01

1815-1884, Emanuel Geibel

 

 

Personen.

Prinz LotharOberst eines Ulanenregiments.

HeleneSchauspielerin.

Annaderen Schwester.

Ein Jäger des Prinzen.

Die Handlung spielt in einer deutschen Residenz im Herbst des Jahres 1871.


Helenens Wohnung. Geschmackvoll eingerichtetes Zimmer mit Sofa, Lehnsesseln, zierlichem Schreibtisch usw. Auf dem Kamin eine Uhr zwischen Blumenvasen. Im Hintergrund eine offene Flügeltür, die in den Garten führt. Der Haupteingang liegt rechts, links gegenüber ebenfalls eine Tür.

Erster Auftritt.

Helene, später Anna.

Helene (die Rolle der Iphigenie studierend).
»Leb wohl! O wende dich zu uns und gib
ein holdes Wort des Abschieds mir zurück!
Dann schwellt der Wind die Segel sanfter an,
und Tränen fließen lindernder vom Auge
des Scheidenden. Leb wohl und reiche mir
zum Pfand der alten Freundschaft deine Rechte! 
Lebt wohl!«
                      Ich denke, es geht. Und was noch fehlt,
das gibt im Feuer des Zusammenspiels
mir wohl des Augenblicks Erregung ein. 
Wär es nur schon Zeit! Vier ganze Stunden noch,
bis sich der Vorhang hebt. Am besten täte ich jetzt, an anderes zu denken. Könnte ich es nur!
Doch Furcht und Hoffnung lassen mich nicht ruhen;
es ist wie ein Fieber. Wie prächtig dort
am hohen Lindengang die Astern blühen!
Ich gehe und pflücke mir eine Schale voll...
(Nimmt eine Schale vom Kamin und wendet sich zur  Flügeltür.)
»Hinaus in eure Schatten, rege Wipfel
des alten heiligen... « Nein! Genug! Genug!
Das ewige Wiederholen ist von Übel,
ich bin ja sicher. Horch, da kommt zum Glück
die Schwester, so verplaudern wir die Zeit.
(Anna tritt auf, rechts.)
Willkommen, Anna! Aus der Stadt zurück?
Mit meiner Rolle wurde ich eben fertig.
Trafst du den Bruder?

Anna.                               Ja, vergnügt und fleißig
wie stets. Sein schönes Bild, der schlafende
Endymion, rückt munter fort.

Helene.                                       Und sonst,
was gibt es Neues?

Anna.                           Wenig Gutes heute.
Nur ein Gerücht vom Hof, das ich dir gern
verschwiege, wär es nicht schon in aller Munde.

Helene. Vom Hof? Und das erregt dich so? So sprich,
was ist es denn?

Anna.                       Man sagt, dass Prinz Lothar,
den wir so gut wie schon verlobt geglaubt
mit Klara Holmfeld, plötzlich anderen Sinnes
geworden sei und, statt das letzte Wort
zu sprechen, sich kühl von ihr zurückzieht.
Seit vierzehn Tagen ließ er sich nicht im Hotel
der Gräfinmutter sehen.

Helene.                                             Mein Gott,
was sagst du da? Die arme, arme Gräfin!
Seit letztem Winter weiß ich ja, wie sehr,
wie innig sie ihn liebt. Das wäre ein Schlag,
der bis ins Herz sie träfe. Doch wie kann
er von ihr lassen, die das reizendste
Geschöpf auf Erden ist? Ich fasse es kaum.
Was ist denn vorgefallen?

Anna.                                   Und du hast
von allem keine Ahnung?

Helene.                                 Ich? Gewiss nicht.

Anna. Man sagt noch mehr.

Helene.                               Was sagt man?

Anna.                                                         Ist dir gar nicht bewusst, was im Gemüt des Prinzen
die jähe Wandlung dir erklären könnte?
Du sahst ihn doch so oft in letzter Zeit.

Helene. Mein Gott, wie sprichst du denn? Du denkst doch nicht...
Torheit!

Anna.           Dass du ihm nicht missfielst, ist sicher.

Helene. Nun ja, auch er hat mir den Hof gemacht
wie hundert andere. Und ich leugne es nicht,
ich sah ihn gerne, doppelt, weil er stets
sich in den Schranken feinster Sitte hielt.
Er ist ein Mann von Geist, wie sollte ich mich
nicht einer Huldigung erfreuen, von der ich wusste,
sie galt nicht mir, sie galt der Künstlerin.

Anna. Die Welt spricht anders, Liebe.

Helene.                                           Was spricht sie nicht!

Anna. Ich fürchte, diesmal traf sie es.

Helene.                                           Wäre es möglich?
Er könnte um meinetwillen... Nein, nein, nein!
Wie kannst du mich nur so furchtbar erschrecken!
Es kann, es darf nicht sein. O, welchen Sturm
hast du in meinem Herzen aufgerührt!
Mir schwindeln die Gedanken. Gütiger Himmel,
wie fass ich mich! Und in dem Zustand soll
ich auf die Bühne, soll die Priesterin,
die hohe, ruhig klare Jungfrau spielen!
Grausame, musstest du denn unbedacht, du kennst mich ja, in diesem Augenblick
den Feuerbrand in meine Seele werfen,
der keine Rast mir gönnt?

Anna.                                     Vergib, ich sagte
nur, was du wissen musstest, ehe es vielleicht
auf anderem Weg zu deinen Ohren kommt.
Nicht vor den Menschen durfte solch ein Wort
dich überraschen. Doch ich weiß, wie stark
du bist, wie rasch und kräftig dein Gemüt
aus heftigster Erschütterung sich stets
zur Klarheit wieder durchringt. Kämpfe auch dieses
im stillen mit dir aus, und lass mich dich
gefasst und ruhig finden, wenn ich dir
Gewand und Schleier für den Abend bringe.
(Geht bis zur Tür links und kehrt noch einmal zurück.)
Helene, sei du selber! (Ab.)


  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 5124
  • Hinzugefügt am 16. Apr 2014 - 18:12 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Gold, Geibel, Freundschaft, Geist, Huldigung

Einsteller: sophie-clark

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    Personen. Prinz  Lothar ,  Oberst eines Ulanenregiments . Helene ,  Schauspielerin . Anna ,