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Sammlung: Annette von Droste-Hülshoff

Die Judenbuche Teil 04

1827-1901, Annette von Droste-Hülshoff

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Das zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe wurde mit einem Sohn, man kann nicht sagen erfreut, denn Margreth soll sehr geweint haben, als man ihr das Kind reichte. Doch obwohl unter einem Herzen voller Gram getragen, war Friedrich ein gesundes hübsches Kind, das an der frischen Luft kräftig gedieh. Der Vater hatte ihn sehr lieb, er kam nie nach Hause, ohne ihm ein Stückchen Wecken oder dergleichen mitzubringen und man meinte sogar, er sei seit der Geburt des Knaben ordentlicher geworden, wenigstens wurde das Lärmen im Haus weniger.

Friedrich war nun neun Jahre alt. Es war um das Fest der Heiligen drei Könige, eine kalte, stürmische Winternacht. Hermann war zu einer Hochzeit gegangen und hatte sich schon früh auf den Weg gemacht, da das Brauthaus dreiviertel Meilen entfernt lag. Obwohl er versprochen hatte, abends wiederzukommen, rechnete Frau Mergel doch um so weniger darauf, da sich nach Sonnenuntergang dichtes Schneegestöber eingestellt hatte. Gegen zehn Uhr schürte sie die Asche am Herd zusammen und machte sich zum Schlafengehen bereit. Friedrich stand neben ihr, schon halb entkleidet und horchte auf das Geheul des Windes und das Klappern der Bodenfenster.

»Mutter, kommt der Vater heute nicht?«, fragte er. »Nein, Kind, morgen.« »Aber warum nicht, Mutter? Er hat es doch versprochen.« »Ach Gott, wenn der alles hielte, was er verspricht! Mach voran, dass du fertig wirst!«

Sie hatten sich kaum niedergelegt, da erhob sich eine Windsbraut, als ob sie das Haus mitnehmen wollte. Die Bettstatt bebte und im Schornstein rasselte es wie ein Kobold.

»Mutter, es pocht draußen!«

»Still, Fritzchen, das ist das lockere Brett im Giebel.«

»Nein, Mutter, an der Tür!«

»Sie schließt nicht, die Klinke ist zerbrochen. Gott, schlaf doch! Bring mich nicht um das armselige bisschen Nachtruhe.«

»Aber wenn nun der Vater kommt?«

Die Mutter drehte sich heftig im Bett um.  "Den hält der Teufel fest genug!"

»Wo ist denn der Teufel, Mutter?«

»Warte nur! Er steht vor der Tür und holt dich, wenn du nicht ruhig bist!«

Friedrich wurde still, er horchte noch ein Weilchen und schlief dann ein. Nach einigen Stunden erwachte er. Der Wind hatte sich gedreht und zischte jetzt wie eine Schlange durch die Fensterritze an seinem Ohr. Er kroch tief unters Deckbett und lag aus Furcht ganz still. Nach einer Weile bemerkte er, dass die Mutter auch nicht schlief. Er hörte sie weinen und mitunter »Gegrüßt seist du, Maria« und »bitte für uns arme Sünder« sprechen. Die Kügelchen des Rosenkranzes glitten an seinem Gesicht vorbei. Ein unwillkürlicher Seufzer entfuhr ihm. »Friedrich, bist du wach?«

»Ja, Mutter.«

»Kind, bete ein wenig, du kannst ja schon das Vaterunser..«

Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl aussehen mochte. Das mannigfache Getöse im Haus kam ihm unheimlich vor. Er meinte, es müsse etwas Lebendiges drinnen sein und draußen auch.

»Hör, Mutter, da sind Leute, die pochen.«

»Ach nein, Kind, aber es ist kein altes Brett im Haus, das nicht klappert.«

»Hör! Hörst du nicht? Es ruft! Hör doch!«

Die Mutter richtete sich auf, das Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach. Jetzt hörte man deutlich an den Fensterläden pochen und mehrere Stimmen: »Margreth! Frau Margreth, heda, aufgemacht!«

Margreth stieß einen heftigen Laut aus: »Da bringen sie mir das Schwein wieder!«

Der Rosenkranz flog klappernd auf den Brettstuhl, die Kleider wurden herbeigerissen. Margreth fuhr zum Herd und bald darauf hörte Friedrich sie mit trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Margreth kam nicht wieder, aber in der Küche war viel Gemurmel und fremde Stimmen. Zweimal kam ein fremder Mann in die Kammer und schien ängstlich etwas zu suchen. Eine Lampe wurde hereingebracht und zwei Männer führten die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte die Augen geschlossen. Friedrich begriff nach und nach aus den Reden der Umstehenden, dass der Vater von Onkel Franz Semmler und dem Hülsmeyer tot im Holz gefunden worden war und jetzt in der Küche lag.

Sobald Margreth wieder zur Besinnung kam, versuchte sie die fremden Leute loszuwerden. Der Bruder blieb bei ihr und Friedrich, dem bei strenger Strafe im Bett zu bleiben befohlen war, hörte die ganze Nacht hindurch das Feuer in der Küche knistern und ein Geräusch wie von Hin- und Herrutschen und Bürsten. Gesprochen wurde wenig und leise, aber zuweilen drangen Seufzer herüber, die dem Knaben durch Mark und Bein gingen. Einmal verstand er, dass der Onkel sagte: »Margreth, zieh dir das nicht so zu Gemüte, wir wollen jeder drei Messen lesen lassen, und um Ostern machen wir zusammen eine Bittfahrt zur Mutter Gottes von Werl.«

 

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  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 7799
  • Hinzugefügt am 05. Feb 2015 - 20:22 Uhr

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