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Sammlung: Annette von Droste-Hülshoff
Die Judenbuche Teil 01
1842, Annette von Droste-Hülshoff
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Ein Sittengemälde aus dem gebirgigen Westfalen
Friedrich Mergel, geboren 1738, war der einzige Sohn eines sogenannten Halbmeiers oder Grundeigentümers geringerer Klasse im Dorf B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mochte, doch das Auge jedes Reisenden fesselte durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines geschichtlich bedeutenden Gebirges. Das Ländchen, zu dem es gehörte, war damals einer jener abgeschlossenen Erdwinkel ohne Fabriken und Handel und ohne Heerstraßen, wo ein fremdes Gesicht noch Aufsehen erregte und eine Reise von dreißig Meilen selbst den Vornehmeren zum Odysseus seiner Gegend machte. Kurz, ein Fleck, wie es so viele in Deutschland gab, mit all den Mängeln und Tugenden, all der Originalität und Beschränktheit, wie sie nur unter solchen Umständen gedeihen. Unter höchst einfachen und häufig unzulänglichen Gesetzen waren die Begriffe der Einwohner von Recht und Unrecht einigermaßen in Verwirrung geraten. Oder vielmehr, es hatte sich neben dem gesetzlichen ein zweites Recht gebildet. Ein Recht der öffentlichen Meinung, der Gewohnheit und der durch Vernachlässigung entstandenen Verjährung. Die Gutsbesitzer, denen die niedere Gerichtsbarkeit zustand, straften und belohnten nach ihrer in den meisten Fällen redlichen Einsicht. Der Untergebene tat, was ihm ausführbar und mit einem etwas weiten Gewissen verträglich schien und nur dem Verlierer fiel es zuweilen ein in alten staubigen Urkunden nachzuschlagen.
Es ist schwer diese Zeit unparteiisch ins Auge zu fassen. Sie ist seit ihrem Verschwinden entweder hochmütig getadelt oder stattdessen albern gelobt worden, da den, der sie erlebte, zu viel teure Erinnerungen blenden und der später Geborene sie nicht begreift. Soviel darf man jedoch behaupten, dass die Form schwächer, der Kern fester, Vergehen häufiger, Gewissenlosigkeit seltener waren. Denn wer nach seiner Überzeugung handelt und sei sie noch so mangelhaft, kann nie ganz zugrunde gehen, wogegen nichts seelentötender wirkt, als gegen das innere Rechtsgefühl das äußere Recht in Anspruch zu nehmen.
Autoren und Komponisten von A-Z
Annette von Droste-Hülshoff von A-Z
- Text-Herkunft: Gemeinfrei
- Text-ID 1229
- Hinzugefügt am 20. Mai 2013 - 08:31 Uhr
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Die-Judenbuche, Annette-von-Droste-Hülshoff, Prosa, Epik, Novelle
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