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Sammlung: Büchner, Dantons Tod

Dantons Tod | 3. Akt (2)

1835, Georg Büchner

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Gemeinfreier Text - Persönlich redigiert!Verglichen mit:
Büchners Werke in einem Band
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1974

 

EIN ZIMMER

Fouquier-Tinville. Herman

FOUQUIER: Alles bereit?

HERMAN: Es wird schwer halten; wäre Danton nicht darunter, so ginge es leicht.

FOUQUIER: Er muß vortanzen.

HERMAN: Er wird die Geschwornen erschrecken, er ist die Vogelscheuche der Revolution.

FOUQUIER: Die Geschwornen müssen wollen.

HERMAN: Ein Mittel wüßt ich, aber es wird die gesetzliche Form verletzen.

FOUQUIER: Nur zu!

HERMAN: Wir losen nicht, sondern suchen die Handfesten aus.

FOUQUIER: Das muß gehen. — Das wird ein gutes Heckefeuer geben. Es sind ihrer neunzehn. Sie sind geschickt zusammengewörfelt. Die vier Fälscher, dann einige Bankiers und Fremde. Es ist ein pikantes Gericht. Das Volk braucht dergleichen. — Also zuverlässige Leute! Wer zum Beispiel?

HERMAN: Leroi. Er ist taub und hört daher nichts von all dem, was die Angeklagten vorbringen. Danton mag sich den Hals bei ihm rauh schreien.

FOUQUIER: Sehr gut; weiter!

HERMAN: Vilatte und Lumière. Der eine sitzt immer in der Trinkstube, und der andere schläft immer; beide öffnen den Mund nur, um das Wort >Schuldig< zu sagen. — Girard hat den Grundsatz, es dürfe keiner entwischen, der einmal vor das Tribunal gestellt sei. Renaudin

FOUQUIER: Auch der? Er half einmal einigen Pfaffen durch.

HERMAN: Sei ruhig! Vor einigen Tagen kommt er zu mir und verlangt; man solle allen Verurteilten vor der Hinrichtung zur Ader lassen, um sie ein wenig matt zu machen; ihre meist trotzige Haltung ärgere ihn.

FOUQUIER: Ach, sehr gut. Also ich verlasse mich!

HERMAN: Laß mich nur machen!

DIE CONCIERGERIE. EIN KORRIDOR

Lacroix, Danton, Mercier und andre Gel angne auf und ab gehend

LACROIX zu einem Gefangnen: Wie, so viel Unglückliche, und in einem so elenden Zustande?

DER GEFANGNE: Haben Ihnen die Guillotinenkarren nie gesagt, daß Paris eine Schlachtbank sei?

MERCIER: Nicht wahr, Lacroix, die Gleichheit schwingt ihre Sichel über allen Häuptern, die Lava der Revolution fließt, die Guillotine republikanisiert! Da klatschen die Galerien, und die Römer reiben sich die Hände; aber sie hören nicht, daß jedes dieser Worte das Röcheln eines Opfers ist. Geht einmal euren Phrasen nach bis zu dem Punkt, wo sie verkörpert werden. — Blickt um euch, das alles habt ihr gesprochen; es ist eine mimische übersetzung eurer Worte. Diese Elenden, ihre Henker und die Guillotine sind eure lebendig gewordnen Reden. Ihr bautet eure Systeme, wie Bajazet seine Pyrainiden, aus Menschenköpfen.

DANTON: Du hast recht — man arbeitet heutzutag alles in Menschenfleisch. Das ist der Fluch unserer Zeit. Mein Leib wird jetzt auch verbraucht.
Es ist grade ein Jahr, daß ich das Revolutionstribunal schuf. Ich bitte Gott und Menschen dafür um Verzeihung; ich wollte neuen Septembermorden zuvorkommen, ich hoffte die Unschuldigen zu retten, aber dies langsame Morden mit seinen Formalitäten ist gräßlicher und ebenso unvermeidlich. Meine Herren, ich hoffte, Sie alle diesen Ort verlassen zu machen.

MERCIER : Oh, herausgehen werden wir.

DANTON: Ich bin jetzt bei Ihnen; der Himmel weiß, wie das enden soll.

DAS REVOLUTIONSTRIBUNAL

HERMAN zu Danton: Ihr Name, Bürger.

DANTON: Die Revolution nennt meinen Namen. Meine Wohnung ist bald im Nichts und mein Name im Pantheon der Geschichte.

HERMAN: Danton, der Konvent beschuldigt Sie, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit Orléans, mit den Girondisten, den Fremden und der Faktion Ludwigs des XVII. konspiriert zu haben.

DANTON: Meine Stimme, die ich so oft für die Sache des Volkes ertönen ließ, wird ohne Mühe die Verleumdung zurückweisen. Die Elenden, welche mich anklagen, mögen hier erscheinen, und ich werde sie mit Schande bedecken.
Die Ausschüsse mögen sich hierher begeben, ich werde nur vor ihnen antworten. Ich habe sie als Kläger und als Zeugen nötig. Sie mögen sich zeigen.
Übrigens, was liegt rnir an euch und eurem Urteil? Ich hab es euch schon gesagt: das Nichts wird bald mein Asyl sein; — das Leben ist mir zur Last, man mag mir es entreißen, ich sehne mich danach, es abzuschütteln.

HERMAN: Danton, die Kühnheit ist dem Verbrecher, die Ruhe der Unschuld eigen.

DANTON: Privatkühnheit ist ohne Zweifel zu tadeln, aber jene Nationalkühnheit, die ich so oft gezeigt, mit welcher ich so oft für die Freiheit gekämpft habe, ist die verdienstvollste aller Tugenden. — Sie ist meine Kühnheit, sie ist es, der ich mich hier zum Besten der Republik gegen meine erbärmlichen Ankläger bediene. Kann ich mich fassen, wenn ich mich auf eine so niedrige Weise verleumdet sehe? — Von einem Revolutionär wie ich darf man keine kalte Verteidigung erwarten. Männer meines Schlages sind in Revolutionen unschätzbar, auf ihrer Stirne schwebt das Genie der Freiheit. Zeichen von Beifall unter den Zuhörern.
Mich klagt man an, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit Orleans konspiriert, zu den Füßen elender Despoten gekrochen zu haben; mich fordert rnan auf, vor der unentrinnbaren, unbeugsamen Gerechtigkeit zu antworten. — Du elender St. Just wirst der Nachwelt für diese Lästerung verantwortlich sein!

HERMAN: Ich fordere Sie auf, mit Ruhe zu antworten; gedenken Sie Marats, er trat mit Ehrfurcht vor seine Richter.

DANTON: Sie haben die Hände an mein ganzes Leben gelegt, so mag es sich denn aufrichten und ihnen entgegentreten; unter dem Gewichte jeder meiner Handlungen werde ich sie begraben. — Ich bin nicht stolz darauf. Das Schicksal führt uns den Arm, aber nur gewaltige Naturen sind seine Organe.
Ich habe auf dem Marsfelde dem Königtume den Krieg erklärt, ich habe es am 10. August geschlagen, ich habe es am 21. Januar getötet und den Königen einen Königskopf als Fehdehandschuh hingeworfen. Wiederholte Zeichen von Beifall. — Er nimmt die Anklageakte. Wenn ich einen Blick auf diese Schandschrift werfe, fühle ich mein ganzes Wesen beben. Wer sind denn die, welche Danton nötigen mußten, sich an jenem denkwürdigen Tage (dem 10. August) zu zeigen? Wer sind denn die privilegierten Wesen, von denen er seine Energie borgte? — Meine Ankläger mögen erscheinen! Ich bin ganz bei Sinnen, wenn ich es verlange. Ich werde die platten Schurken entlarven und sie in das Nichts zurückschleudern, aus dem sie nie hätten hervorkriechen sollen.

HERMAN schellt: Hören Sie die Klingel nicht?

DANTON: Die Stimme eines Menschen, welcher seine Ehre und sein Leben verteidigt, muß deine Schelle überschreien. Ich habe im September die junge Brut der Revolution mit den zerstückten Leibern der Aristokraten geätzt. Meine Stimme hat aus dem Golde der Aristokraten und Reichen dem Volke Waffen geschmiedet. Meine Stimme war der Orkan, welcher die Satelliten des Despotismus unter Wogen von Bajonetten begrub. Lauter Beifall.

HERMAN: Danton, Ihre Stimme ist erschöpft, Sie sind zu heftig bewegt. Sie werden das nächste Mal Ihre Verteidigung beschließen, Sie haben Ruhe nötig. — Die Sitzung ist aufgehoben.

DANTON: Jetzt kennt ihr Danton — noch wenige Stunden, und er wird in den Armen des Ruhmes entschlummern.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 469
  • Hinzugefügt am 31. Dez 2011 - 17:19 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

frankreich, revolution, 1789, Robespierre, Danton, Desmoulins, september, St., Just, rouge, terreur, cordeliers, jakobiner, weltliteratur, drama,ad-share, fouquier-Tinville, Herman

Einsteller: klassiker

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