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Sammlung: Christian Fürchtegott Gellert
Abhandlung über das rührende Lustspiel Teil 15
1715-1769, Christian Fürchtegott Gellert
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Denn wenn wir sehen, zu was für einem Grad der Vortrefflichkeit die menschliche Natur erhoben werden kann, so dünken wir uns selbst etwas Großes zu sein. Wir gefallen uns also in jenen erdichteten Personen selbst, und die auf die Bühne gebrachte Tugend fesselt uns umso mehr, je leichter die Sitten sind, die den guten Personen beigelegt werden, und je mehr ihre Güte selbst, die immer mäßig und immer gleichbleibt, nicht sowohl die Frucht von Arbeit und Mühe als vielmehr ein Geschenk der Natur zu sein scheint. Mit einem Wort, so wie wir bei den lächerlichen Personen der Bühne uns selbst freuen, weil wir ihnen nicht ähnlich scheinen, freuen wir uns über unsere eigene Vortrefflichkeit, wenn wir gute Gemütsarten betrachten, was bei den heroischen Tugenden, die in der Tragödie vorkommen, sich seltener zu ereignen pflegt, weil sie von unseren gewöhnlichen Umständen allzuweit entfernt sind. Ich kann mir leicht einbilden, was man dagegen sagen wird. Man wird nämlich einwerfen, weil die Erdichtung alltäglicher Dinge weder Verlangen noch Bewunderung erwecken kann, so müsste notwendig die Tugend auf der Bühne größer und glänzender vorgestellt werden, als sie im gemeinen Leben vorkommt. Hieraus aber scheint zu folgen, dass dergleichen Sittenschilderungen, weil sie übertrieben werden, nicht sattsam gefallen könnten. Dies nun wäre freilich zu befürchten, wenn nicht die Kunst dazukommt, die das, was in einem Charakter Maß und Ziel zu überschreiten scheint, so geschickt einrichtet, dass das Ungewöhnliche wenigstens wahrscheinlich scheint. Ein Schauspiel, das einem Mädchen von geringem Stand Zierlichkeit, Witz und Lebensart geben will, würde den Beifall der Zuschauer wohl nicht erlangen. Denn
si dicentis erunt fortunis absona dicta,
|
- Text-Herkunft: Gemeinfrei
- Text-ID 8623
- Hinzugefügt am 10. Okt 2021 - 18:38 Uhr
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Lustspiel, Abhandlung, Christian, Fürchtegott, Gellert
Einsteller: sophie-clark
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