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Sammlung: Christian Fürchtegott Gellert
Abhandlung über das rührende Lustspiel Teil 14
1715-1769, Christian Fürchtegott Gellert
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Doch lasst uns diese Fabel verändern. Lasst uns voraussetzen, der Entschluss des vornehmen Mannes sei nicht abgeschmackt, sondern vielmehr aus gewissen Ursachen löblich oder doch wenigstens zu billigen, sollte wohl die Seltenheit und Rühmlichkeit einer solchen Handlung weniger ergötzen als dort die Schändlichkeit derselben? Der Herr von Voltaire hat eine Komödie dieses Inhalts, unter dem Titel ›Nanine‹, verfertigt, die Beifall auf der Bühne erhalten hat und man kann auch nicht leugnen, dass man nicht noch mehr dergleichen Handlungen, die Erstaunen erwecken erdenken und auf das gemeine Leben anwenden kann.
Wir müssen uns nunmehr zu den guten Charakteren selbst wenden, die hauptsächlich in der Komödie, von der wir sprechen, angebracht werden, und müssen untersuchen, auf was für Weise Vergnügen und Ergötzung daraus entspringen kann. Die Ursache hiervon ist ohne Zweifel in der Natur der Menschen und in der wunderbaren Kraft der Tugend zu suchen. In unserer Gewalt ist es nicht, ob wir das, was gut, rechtschaffen und löblich ist, billigen wollen oder nicht. Wir werden durch die natürliche Schönheit und den Reiz dieser Dinge dahin gerissen und auch der allernichtswürdigste Mensch findet, gleichsam wider Willen, an der Betrachtung einer vortrefflichen Gemütsart Vergnügen auch wenn er sie nicht selbst besitzt noch sie zu besitzen sich Mühe gibt. Diejenigen also, aus denen eine große und zugleich gesellschaftliche Tugend hervorleuchtet, pflegen uns so wie im gemeinen Leben wie auch auf der Bühne wert und angenehm zu sein. Doch dieses würde nur sehr wenig bedeuten, wenn nicht noch andere Dinge dazukämen. Die Tugend selbst gefällt auf der Bühne, wo sie vorgestellt wird, weit mehr als im gemeinen Leben. Denn da bei Betrachtung und Bewunderung eines rechtschaffnen Mannes sich auch oft zugleich der Neid mit einmischt, so bleibt er doch beim Anblick des bloßen Bildes der Tugend weg und anstatt des Neides wird im Gemüt eine süße Empfindung des Stolzes und der Selbstliebe erweckt.
- Text-Herkunft: Gemeinfrei
- Text-ID 8622
- Hinzugefügt am 10. Okt 2021 - 16:03 Uhr
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Lustspiel, Abhandlung, Christian, Fürchtegott, Gellert
Einsteller: sophie-clark
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