Text-Suche

Wer ist online

58 Gäste online.

Noch nicht registriert oder angemeldet. Hier registrieren.

Sammlung: Adele Schopenhauer

Das Waldmärchen Teil 06

1797-1849, Adele Schopenhauer

<- vorheriger Text nächster Text ->

Obwohl die Eiche nicht mehr auf unsere Menschenweise reden durfte, so hatte sie doch eine gewisse Art, sich den Naturgeistern, zu denen auch die drei Irrlichter gehörten, verständlich zu machen. Sie gestattete ihnen, ihr zur Seite an ihrem Fuß zu verweilen, und gab ihnen die gehörige Stärkung, die sie ganz hell und frisch aufleuchten ließ. Sie erzählte ihnen endlich auch des jungen Elmrichs trauriges Geschick und schenkte ihnen die Zeche mit der Bedingung, dass sie ihrerseits alles versuchen sollten, dem jungen Grafen begreiflich zu machen, wer er sei. Es ist traurig, dachte die Eiche, dass ich mich des guten Zweckes wegen mit all dem Lumpengesindel einlassen muss.  Mit dem Kuckuck, der auch kein ordentlicher Zeitgenosse ist, werde ich ebenfalls noch reden müssen. Indessen, ich muss denken, ich gehörte zum Elfen-Verein.

Elmrich dachte gar nicht mehr an seine gestrige Betrübnis. Er hatte des Försters hübsche Tochter gern, und das Waldrösel, so wurde sie genannt, schien dem netten Burschen auch nicht gram zu sein. Als er sie aber einmal gefragt hatte, ob sie ihn wohl leiden könnte, hatte sie erwidert, er sei ihr schon recht. Aber sie sei noch viel zu jung, um an etwas Ernsthaftes zu denken. Der Vater aber sei nun gerade von der finstersten Sorte, und ihm werde gleich alles zu bunt. Darum wollten sie lieber gar nicht mehr miteinander reden, denn der Vater habe eine schwere Hand! Wenn sie aber einander begegneten, so küsste Elmrich eine Rosenknospe, die er immer im Knopfloche trug, das Waldrösel aber lachte. Es wusste wohl, dass dies soviel hieß wie: Ich möchte dir selbst einen Kuss geben. Das Rösel nahm dann einen grünen Zweig und steckte ihn ins Haar, und das hieß soviel wie: Wenn ich deine Braut bin!

Wenige Tage nachdem der arme Elmrich unter der Eiche so bitterlich geklagt hatte, war im nahe gelegenen Städtchen die Kirchweih. Da nun eine Art Jahrmarkt damit verbunden war, ließ es dem guten Jungen keine Ruhe. Die Batzen brannten ihm ordentlich in der Tasche, und ehe er es sich versah, war er heimlich auf und davon, um dem Rösel die schönsten bunten Bänder zu kaufen. Sie wird schon dabei auch an mich denken, meinte er. Hilf Himmel, wie kam alles anders, als er gedacht hatte!

Der alte verdrießliche Förster, der nur immer das ins Auge Fallende tat, hatte seit geraumer Zeit Wilddiebe im Forst bemerkt, ohne den Entschluss zu fassen, dem Unfug, den sie trieben, ernstliche Grenzen zu ziehen. Dadurch waren die Spitzbuben so keck geworden, dass sie sich bis in die Nähe des Forsthauses zu einem Wetterdächlein hinwagten, unter dem  in der harten Winterszeit das Wild gefüttert wurde, um es vor dem Verhungern zu schützen, und an dessen Eingang eine Glocke hing, um es zu diesem Zweck zusammenzuläuten. Da nun eben in dieser Nacht heller Mondschein war, so dass man die Sechzehnender deutlich unterscheiden konnte, und die Wilddiebe alle Jäger, auch die Bauern umher, auf der Kirchweih wussten, Elmrich aber, der als Jüngster zu Haus bleiben sollte, sich bei seinem Handel verspätet hatte, so beschlossen sie, das Wild zusammenzuläuten, und meinten, die alte Gewohnheit werde gewiss  das eine oder andere hertreiben. Es geschah, wie sie es erwarteten. Beim Klang der Glocke nahte ein Rehbock und schritt stolz auf den Futterkasten zu. Die Schelme ließen ihn ruhig ziehen, denn sie hofften auf noch bessere Beute. Jetzt hörten sie ein Knistern und Brechen der Zweiglein im dichten Busch, als wenn der Edelhirsch naht mit seinem Rudel. Sie drängten sich an die Hinterpfosten des Dächleins und legten an.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 8581
  • Hinzugefügt am 14. Sep 2021 - 06:43 Uhr

Aufrufe: 4 | Downloads: 0

<- vorheriger Text nächster Text ->

Verwandte Suchbegriffe

Wald, Elf, Märchen, Adele, Schopenhauer

Einsteller: sophie-clark

Kommentieren

Noch keine Kommentare vorhanden.

 

Alle Texte der Sammlung "Adele Schopenhauer"

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 01

mehr…

Die Vorlesung war beendet. »Vortrefflich!«, sagte der Professor. Der Autor verneigte sich gegen ihn und die übrige in weitem Kreis ihn umgebende Gesellschaft

 

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 02

mehr…

Wir waren im Gespräch weitergegangen, im ersten Salon saß wirklich ein junges Mädchen unter den Kindern und erzählte. »Aber was in aller Welt ist denn ein

 

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 03

mehr…

Freilich«, erwiderte Otto, »aber er ist nicht immer so klug gewesen. Er hat einmal etwas sehr Böses getan. Er hat sich gegen die Gnomen vergangen, die an seinen

 

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 04

mehr…

»Die will ich erzählen!« rief Otto. »Nein, nein, die Tante!«, schrien und baten die Kleinen, »die liebe, liebe Geschichte mit dem Oberförster!« Und die

 

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 05

mehr…

Der Eichenbaum, oder vielmehr der Elf in der Eiche, war sehr bewegt und betrübt. Er hatte den Lämmergeier persönlich gekannt, von dem der Jäger sprach, und ein

 

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 06

mehr…

Obwohl die Eiche nicht mehr auf unsere Menschenweise reden durfte, so hatte sie doch eine gewisse Art, sich den Naturgeistern, zu denen auch die drei Irrlichter

 

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 07

mehr…

" Hab ich euch, Burschen!", tönte es donnernd hinter denselben, und mitten unter ihnen stand der greise Förster, fasste sogleich den ersten besten, warf ihn

 

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 08

mehr…

Indem er sich umwandte, fiel sein Blick auf die drei Eichenblätter, die ihm kürzlich die alte Eiche geschenkt hatte und die noch an seinem Hut steckten, der neben ihm

 

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 09

mehr…

Die Bauern aber, die aus der Schenke kamen und das seltsame Leuchten sahen, bekreuzten sich und sprachen still ein Vaterunser, denn sie hielten es für ein Anzeichen,

 

Prosa > Epik > MärchenAdele Schopenhauer | in: Adele Schopenhauer | 1797-1849

Das Waldmärchen Teil 10

mehr…

Die Dorfgemeinde war es herzlich zufrieden, den freundlichen jungen Herrn anzuerkennen, die Vettern aber, die wie die Galläpfel auf dem fetten Gutsboden saßen,