(Zitat: Lebensraum Kindergarten; Verlag Herder, Ernst Kaufmann, S. 129)

"Es ist wichtig, den besonderen Entwicklungsgang des einzelnen Kindes zu akzeptieren, ihn nicht ständig mit den Stufen, Phasen und Zeitangaben der Entwicklungspsychologie zu vergleichen und keinesfalls darauf hinzuwirken, seine Entwicklung zu beschleunigen oder zu verlangsamen. Daher gilt es in erster Linie, die individuelle Besonderheit zu erkennen und zu schützen. Ausbildung und Weiterentwicklung des bildnerischen Ausdrucks gehen von der Entwicklung der inneren Vorstellungsbilder, der Bewegungsdifferenzierung und den Motiven und Interessen des einzelnen Kindes aus. Sie können nicht von außen beeinflusst werden."

"Die Entwicklung der bildnerischen Fähigkeiten wird natürlich auch von der Umwelt beeinflusst. Dabei ist die Förderung bzw. Hemmung der Entwicklung weniger schichtspezifisch zu erfassen. Sie hängt vielmehr vom Ausmaß der Zuwendung, Anregung und Wertschätzung ab, das dem Kind in seiner familiären Umwelt entgegengebracht wird. Auch die ungeheure Bilderflut in unserem "optischen Zeitalter" kann sich insofern negativ auswirken, als insbesondere im Fernsehen Wirklichkeit nur aus zweiter Hand, durchs Medium Vermittelt , erfahren wird, während die Chancen zu primärer, unmittelbarer und (aktiv) handelnder Weltbegegnung vor allem in der Großstadt immer weiter zurückgedrängt werden. Dadurch wird die Tendenz zu passivem Bildkonsum verstärkt. Die Fähigkeit, die selbständig erkundete Welt bildnerisch auszudrücken, schwindet. Die Neigung zu gedankenloser Reproduktion der in Fernsehen, Comics, Bilderbüchern, Spielfiguren anzutreffenden Klischees steigt.

Die traditionelle Meinung, als ei die bildnerische Fähigkeit angeboren, also schicksalhaft festgelegt, geht von falschen Begabungstheorien aus. Gerade für den bildnerischen Bereich ist längst erkannt, welche Entwicklungsmöglichkeiten der Kindergarten mit seinen vielfältigen Anregungen zum bildnerischen Schaffen allen Kindern eröffnen kann."

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