1. Du handelst deiner Absicht gerade entgegen. Du bildest dir ein, man wird dich für einen Gelehrten halten, wenn du die schönsten Bücher recht emsig zusammenkaufst. Dem ist aber nicht so; im Gegenteil kommt dadurch nur deine Ignoranz an den Tag. Denn weit davon entfernt, immer nur das Beste zu kaufen, glaubst du dem Ersten, der dir seine Ware anpreist, aufs Wort und bist so eine willkommene Beute für Betrüger dieser Art und ein wahrer Schatz für alle Büchertrödler. Freilich, wie solltest du zu unterscheiden wissen, was alte und wertvolle und was dagegen schlechte und unbrauchbare Werke sind! Du schließt auf den Wert eines Buches nur aus dem Grad, in welchem es angefressen und verdorben ist, indem deine einzigen Ratgeber bei dieser Beurteilung die Motten sind. Wie könnte es denn für dich noch andere Merkmale geben, den wahren inneren Gehalt eines Werkes zu erkennen?

2. Wenn ich dir auch einräumen wollte, ein Buch, das die Hand eines Kallinus, oder die äußerst sorgfältige des berühmten Attikus geschrieben, von anderen unterscheiden zu können, was kann es dir helfen, solche Handschriften zu besitzen, da du ja die [eigentliche] Schönheit derselben nicht kennst und sie ebensowenig brauchen kannst, wie der Blinde einen Genuss von schönen Gestalten hat? Du glotzt mit aufgerissenen Augen deine Bücher an bis zum Überdruss, liest auch wohl bisweilen ein wenig darin, doch so flüchtig, dass die Blicke dem Mund immer voran eilen. Das alles genügt nicht, so lange du keine richtige Einsicht in die Vorzüge und Fehler jeder Schrift, in den Sinn und Zusammenhang des Ganzen, in die Wahl und Stellung der einzelnen Ausdrücke hast und so lange du nicht beurteilen kannst, ob sich der Schriftsteller genau an die Regeln des richtigen Geschmacks gehalten hat und was etwa verdächtig, unecht oder verfälscht ist.