Im Dorf Thossen lebte einmal ein guter und ehrlicher Schäfer, der schon manchen harten Winter erlebt und der manchen heißen Sommer hindurch die Schafe mit seinem treuen Spitz bewacht hatte. Noch niemals hatte er ein Schaf durch den Wolf verloren, bis er schließlich doch von diesem heimgesucht wurde. Der alte Schäfer hatte sich ein wenig hingelegt um zu schlafen, der Hund war einer Hasenspur gefolgt und der Wolf, der im Busch gelauert hatte, raubte zwei Lämmer, ohne dass es jemand bemerkte. Als der Hirte die Schafe am Abend heimtrieb, wo der Herr unter der Tür des Schafstalls stand und die Herde musterte, vermisste dieser die zwei Lämmer und fuhr den Alten hart an. Betrübt lief dieser davon, die Verlorenen zu suchen. Da kam ein Knecht des Herrn, der dem Schäfer feindlich gesinnt war und verkündete mit geheimnisvoller Miene, dass der Fleischer soeben zwei Lämmer von der Herde in die Stadt getrieben hatte. Der Herr glaubte steif und fest, es seien die Seinigen gewesen und lief schnurstracks dem Schäfer nach. Als er ihn eingeholt hatte, schrie er wütend: „Du heuchlerischer Spitzbub, was suchst du sie noch, wenn du sie an den Fleischer verkauft hast?“ Der Alte wusste nicht, wie ihm geschah und beteuerte seine Unschuld. Aber der Herr schrie und tobte und drohte ihm,  ihm noch heute all seine Habe zu nehmen, wenn er die gestohlenen Lämmer nicht ersetze. Du sprach der Alte feierlich: „Gott im Himmel, erweise Gerechtigkeit deinem unschuldigen Knecht!“ Und er steckte seinen Stab in die Erde, schwor dreimal und sprach: „Dieser dürre Stab soll wurzeln, wachsen und gedeihen, wenn ich ohne Schuld bin. Bin ich es aber nicht, so soll er zu Asche zerfallen.“ Als der Herr am nächsten Tag wieder an denselben Platz kam, hatte der Stock bereits Knospen und schlug aus. Er wuchs  zu einem großen, seltenen Baum empor und steht bis auf den heutigen Tag, für jeden sichtbar, auf einer Hochebene, damit jeder sehen kann, wie Gott die Unschuldigen beschützt.