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Sammlung: Friedrich von Bodenstedt

Gräfin Helene Teil 01

o. J., Friedrich von Bodenstedt


 

 

Erstes Kapitel.

Der Amtmann Leonhardt erfreute sich eines weit über seine Stellung hinausragenden Ansehns, obgleich dieselbe zu der Zeit, in welcher unsre Geschichte spielt, noch zu den bevorzugtesten des Landes gehörte. Justiz und Verwaltung lagen nämlich damals noch in Einer Hand und sicherten ihrem Träger, wenn er seiner Aufgabe gewachsen war, zugleich Würde und Wohlstand. Der Amtmann Leonhardt waltete seines Amtes in einer Weise, die Achtung gebot und ihn zu einer allgemein beliebten Persönlichkeit machte. Obgleich er alle Pflichten seines Berufs gewissenhaft erfüllte, ging er doch nicht darin unter, sondern fand immer noch Zeit zu Nebenbeschäftigungen und Zerstreuungen, die allein genügt hätten, das Leben eines gewöhnlichen Menschen auszufüllen. Aber Leonhardt war eben kein gewöhnlicher Mensch; die Natur hatte ihn ausgestattet mit Gaben, welche ihn, bei seiner unverwüstlichen Arbeitskraft, in jedem Wirkungskreise zu einer hervorragenden Erscheinung gemacht haben würden. Arbeit war ihm Bedürfniß, allein er that nicht gern etwas Unnützes und hatte besonders einen Abscheu gegen alle überflüssigen Schreibereien, das Steckenpferd untergeordneter Geister. Seine freien Stunden brachte er am liebsten auf der Jagd zu, war ein rüstiger Fußgänger und Reiter, und suchte so viel wie möglich durch Bewegung in frischer Luft der sitzenden Lebensweise zu Hause ein heilsames Gegengewicht zu geben. So geschah es, daß er sich noch im Greisenalter einer blühenden Gesundheit erfreute und jeder körperlichen und geistigen Anstrengung gewachsen war. Nach der Maxime: daß der Schlaf vor Mitternacht der erquicklichste sei, ging er früh zu Bett und war früh auf den Beinen, so daß er gewöhnlich schon vier Stunden gearbeitet hatte, wenn die übrigen Honoratioren der Stadt ihr Lager verließen. Wer seine Tageseintheilung kannte, begriff leicht wie sie ihm ermöglichte, neben seinen Berufsgeschäften noch so viel Zeit zu literarischen und künstlerischen Liebhabereien, Jagdausflügen und geselligen Zerstreuungen zu finden; aber er hatte auch, wie jeder über das gewöhnliche Maß hervorragende Mann, seine Feinde und Neider, die ihm gern nachsagten, daß er seine Amtspflichten zu sehr auf die leichte Schulter nehme, dabei kein guter Haushalter sei und ein zu glänzendes, über seinen Stand und seine Mittel hinausgehendes Leben führe.


  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 6001
  • Hinzugefügt am 23. Jul 2014 - 21:10 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

amtmann, land, geschichte, beruf, natur

Einsteller: sophie-clark

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