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Collection: Karl Adolph
Am 1. Mai Teil 01
1919, Karl Adolph
Die Szene ist ein leeres Zimmer. Schmutzige Wände mit halbverlöschter Malerei und vielen Löchern, wie sie entstehen, wenn Haken und Nägel herausgerissen wurden. An den Stellen, wo Bilder hingen, ist die ursprüngliche Malerei lichter und reiner geblieben. In der Mitte steht eine Maurerleiter mit einigen fehlenden Sprossen. Daneben ein Mörteltrog. Links zwei Fenster, rechts Türe zum Vorzimmer. Mitte Tür zum anderen Zimmer.
1. Auftritt.
Mieter und Hausbesorgerin von rechts.
Hausbesorgerin: (Frau, Mitte dreißig, korpulent. Staubtuch und Kehrbesen in der Hand. Noch in der Tür zurücksprechend.) Hinunter dass du kommst! Musst du mir immer nachlaufen? Wenn jemand kommt, ist niemand in der Wohnung. Hinunter! Marsch! (Vollständig eintretend, zum Mieter; der einstweilen verdutzt das Zimmer in Augenschein genommen hat.) So, das ist das Zimmer, das gestrichen wird. (Öffnet die Mitteltür) Und das ist das dritte. Das erste deht in den Hof, das haben wir schon gesehen. Also das Zimmer war das Schlafzimmer bei der vorigen Partei. Schauen Sie es gut an. Ich will den Leuten nichts nachsagen, aber eine Bagage war das . . . Unser Herrgott verzeih es mir.
Mieter: (Fünfzigjährig, mager, nervös. Trägt einen Stock in der Rechten. Ist zu den Fenstern gegangen und probiert, ob sie gut schließen.) Auch das noch. Ich habe es mir ja gedacht. Hier im Schlafzimmer schließen die Fenster nicht. Überhaupt Frau Hausbesorgerin, ich bin weg, ganz weg. Schauen Sie sich doch nur die Wohnung an! Der reine Schweinestall. Das kommt davon, wenn man eine Frau eine Wohnung suchen schickt. Dieses Zimmer ist ein Skandal.
Hausbesorgerin: Aber ich bitte Sie, über die Wohnung ist doch faktisch nichts zu reden, Na, halt ja, dass ich ehrlich bin, das eine Zimmer ist ein kleines bisschen strapaziert. Dafür lässt es der Hausherr auch herrichten.
Mieter: Ach was! Da stürzt sich Ihr Hausherr auch in Unkosten. Die ganze Wohnung... verstehen Sie, die ganze Wohnung hätte hergerichtet gehört. Der Herd in der Küche ist direkt baufällig und da . . . (stößt einen Schrei aus)
Hausbesorgerin: Was ist denn?
Mieter: Ich glaube, die Wohnung hat Ungeziefer.
Hausbesorgerin: Na, und ob . . . (besinnt sich rasch) Was denn noch? Aber Sie, wenn Sie das Geschirr gesehen hätten . . .
Mieter: Ach, was kümmert mich das. Ich verlange nichts als eine reine, verstehen Sie, eine vollkommen reine Wohnung. Das habe ich nur meiner Frau zu verdanken und ich werde mit ihr . . . doch nein, das geht nicht, ich kann sie nicht aufregen.
Hausbesorgerin: Ich höre den Hausherrn (rennt zur Tür rechts) Küss die Hand, gnädiger Herr, küss die Hand.
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- Added on Feb 01, 2021 - 03:58 PM
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Dichtung > Dramatic > DramaKarl Adolph | in: Karl Adolph | 1919
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