Text search

Collection: Peter Rosegger

Als ich noch der Waldbauernbub war Teil 01

1843-1918, Peter Rosegger

Ich bin daheim auf waldiger Flur,

mein Hüttchen ist ein grüner Baum,
mein Ruhebett der Wiesensaum
am Herzen der Natur.

Ein Rehlein kommt durch Zweige dicht,
mir dringt ans Ohr sein weicher Laut,
es sieht mich an, es spricht so traut

und ich versteh' es nicht.

Nun kommt ein blühend Mädchen noch
und sinnend steht es auf der Flur;
es sieht mir stumm ins Auge nur 
und ich versteh' es doch.

 

Von meinen Vorfahren

 

Bauerngeschlechter werden nur in Kirchenbüchern verbucht.

Das Kirchenbuch zu Krieglach, wie es heute vorliegt, beginnt im siebzehnten Jahrhundert mit dem Jahre 1672. Die früheren Urkunden sind wahrscheinlich bei den Einfällen der Ungarn und Türken zugrunde gegangen. Zu Beginn des Pfarrbuches gab es in der Pfarre schon Leute, die sich Roßegger schreiben ließen. Nach anderen Urkunden waren in jener Gegend schon um 1290 Rossecker vorhanden. Sie waren Bauern. Teils auch Amtmänner und Geistliche. In Kärnten steht noch heute eine Schlossruine, Roßegg oder Rosegg genannt; man könnte also, wenn man hoffärtig sein wollte, sagen, die Roßegger wären ein altes Rittergeschlecht und obiges Schloss sei ihr Stammsitz. Aber diese Hoffart brächte zutage, dass wir herabgekommene Leute wären. Bei Bruck an der Mur in der Steiermark steht ein schöner Berg, der auf seiner Höhe grüne Almen hat und einst viele Sennhütten gehabt haben soll. Dieser Berg heißt das Roßegg. Man könnte also, wenn man bescheiden sein wollte, auch sagen, die Roßegger stammten von diesen Almen, wo sie einst Hirten gewesen, Kühe gemolken und Jodler gesungen hätten. In der nächsten Nachbarschaft der Krieglacher Berggemeinde Alpel, in der Pfarre Sankt Kathrein am Hauenstein, der Gegend, die einst von Einwanderern aus dem Schwabenlande bevölkert worden sein soll, steht seit unvordenklichen Zeiten ein großer Bauernhof, von jeher insgeheim »beim Roßegger« genannt, obwohl die Besitzer des Hofes nun schon lange anders heißen. Möglich, dass genannter alter Bauernhof das Stammhaus der Roßegger ist. Diese sind ein sehr weitverzweigtes Geschlecht geworden; in Sankt Kathrein, in Alpel, in Krieglach, in Fischbach, in Stanz, in Kindberg, in Langenwang usw. gibt es heute viele Familien Roßegger, deren Verwandtschaft miteinander gar nicht mehr nachweisbar ist. Zumeist sind es einfache Bauersleute. Ein Priester Rupert Roßegger hat große Reisen gemacht, darüber geschrieben und auch Gedichte verfasst. Das, was ich von meinen Ahnen weiß, hat mir größtenteils mein Vater erzählt, er hat besonders in seinen alten Tagen gerne davon gesprochen. Was daran Tatsache, was Sage ist, lässt sich schwer bestimmen.

Der Bauernhof in Alpel, zum untern Kluppenegger, in diesem Buche auch der »Waldbauernhof« genannt, gehörte zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts einem Mann, genannt der Anderl (Andreas) in Kluppenegg. Das soll ein wohlhabender Mann gewesen sein und in der Erinnerung der Familie wird er noch heute der »reiche Kluppenegger« genannt. Er hat ein Pferd besessen, mit dem er für die Gemeinde Alpel den Saumverkehr mit dem Mürztal (Fahrweg hat es damals noch keinen gegeben) versorgt haben soll.

Der Anderl in Kluppenegg war einmal beim »Graßschnatten« vom Baum herabgefallen und hatte einen hinkenden Fuß davongetragen. So soll er des Sonntags auf seinem Pferd in die Kirche geritten sein und großes Ansehen gehabt haben.

 Dieser Anderl hat wahrscheinlich auch das stattliche Haus gebaut, welches auf seinem Trambaum die Jahreszahl 1744 führt und dessen Zimmerholz an vielen Stellen heute noch hart wie Stein ist, weil man zu jener Zeit das Bauholz aus reifen Waldungen genommen hat. Der Anderl hatte einen Bruder bei sich, der Zimmermann war. Zu dieser Zeit gehörten zum Hof zwei »Gasthäuschen«; in dem einen, das gleich oberhalb des Gehöftes stand, wohnte ein Schneider, in dem anderen, das tief unten an der steilen Berglehne war, wohnte ein Schuster; der Anderl selbst verstand die Weberei, die Lodenwalcherei und die Hautgerberei, also hatte er die wichtigsten Gewerbe beisammen und konnte den Nachbarn damit aushelfen. Auch hatte er unten im Graben eine zweiläufige Getreidemühle gebaut und gleich in demselben Gebäude eine Leinölpresse. 

Der Anderl hat nur ein einziges Kind gehabt, eine Tochter. Die soll viele Freier abgewiesen haben. Da kam der junge Nachbar vom Riegelbauernhof.

Das Riegelbauernhaus ist das zuhöchst gelegene in Alpel und von ihm aus sieht man rings über die Engtäler des Alpels hinweg in der Ferne hohe Berge. Man pflegte in alten Zeiten die Höfe hoch hinauf zu bauen, so hoch, dass man oft nicht einmal einen Brunnen hatte, eben wie auch bei diesem Riegelbauernhofe, wo man jeden Tropfen Wasser unten an der steilen Berglehne holen musste. Das Gebäude der Riegelbauern ist erst vor kurzem niedergerissen worden. In diesem Hause tauchten jetzt die Roßegger auf. Sie sollen zu dieser Zeit viele Buben gehabt haben und einer davon, der Josef, ging zur Kluppeneggertochter hinüber. Also hat die Kluppeneggertochter vom Riegelbauernhof her den Josef Roßegger geheiratet, der geboren worden war am 16. März 1760.

Der Josef soll ein rühriger Mann gewesen sein und allezeit zu einem kleinen Spaß aufgelegt. 

Der Seppel hat auch die Kunst zu schreiben verstanden. In einem alten Hausarzneibuch steht mit nun freilich verblasster Tinte: »Groß Frauentag, 1790. Ich, Joseph Roßegger, habe am heute den erstgeborenen Sohn Ignatzius bekommen. Empfehle das kleine Kind unserer lieben Muttergottes.«

Der Seppel soll eine Alm gepachtet und sich nebst Ackerbau und Holzwirtschaft viel mit Viehzucht befasst haben. Er hatte zeitweilig acht Knechte und ebenso viele Mägde gehabt, zu denen nachher noch die eigenen Kinder kamen.

 Die Söhne hießen Ignatz, Michel, Martin, Simon, Baldhauser, Jakob. Von diesen Brüdern ist die große Verträglichkeit und Einigkeit in der ganzen Gegend sprichwörtlich geworden. In jeder Arbeit halfen sie einander und wo an Sonntagen einer der »Kluppeneggerbuben« war, da sah man die anderen auch. Keiner ließ über die anderen ein böses Wort aufkommen, jeder stand für alle ein. Wenn es um einen Bruder ging, so hob selbst der Friedfertigste, der Ignatz, seinen Arm. Wer einen dieser Burschen überwinden wollte, der musste alle sechs überwinden und der, für den einer derselben eintrat, hatte sechs gute Kameraden.

Mehrere dieser Brüder kauften sich später Bauerngüter im unteren Mürztal oder erheirateten sich solche. Dadurch entkamen sie der Militärpflicht. Soldat ist nur einer gewesen, derselbe starb zu Preßburg an Heimweh. Der Baldhauser, welcher die Soldatenlänge nicht hatte, brauchte sich um einen Besitz nicht zu bemühen, er blieb im heimatlichen Hof als Knecht.

Der Josef erreichte ein hohes Alter. Auf einem Besuch bei einem seiner verheirateten Söhne im Mürztal ist er fast plötzlich, über Nacht, gestorben (1815). Bevor er zu jenem Besuch fortging, soll er gebeugt und auf seinen Stock gestützt, hastig dreimal um den Kluppeneggerhof herumgegangen sein und dabei mehrmals gesagt haben: »Nicht geboren, nicht gestorben, und doch gelebt!« Als er hierauf nicht mehr heimgekommen war, hat man das so gedeutet, als hätte er sagen wollen: In diesem Haus bin ich nicht geboren und werde darin nicht sterben und habe doch darin gelebt.

Zur selben Zeit war schon sein Sohn Ignatz (geboren 1790) Besitzer des Kluppeneggerhofes.

 Er heiratete eine Tochter aus dem Peterbauernhof, namens Magdalena Bruggraber. Diese Magdalena hatte auch mehrere Brüder, wovon einer sich das nachbarliche Grabenbauernhaus erwarb; sein Bruder Martin war bei ihm Knecht. Seit jeher waren diese beiden ein paar gute Genossen gewesen zu den Kluppeneggersöhnen; jetzt in Verwandtschaft getreten, standen sie noch fester zu ihnen. Und doch ist es einmal anders geworden, wir werden das später erfahren.

Der Ignatz Roßegger soll ein schöner, stattlicher Mann gewesen sein, sonntags in schmucker Steirertracht, wie sie damals der Erzherzog Johann wieder zu Ehren gebracht hatte, ins Pfarrdorf gekommen sein und gerne gesungen haben. Dem »Natzl in Kluppenegg« seine helle Stimme war in der ganzen Gegend bekannt, und keinen Tag gab Gott vom Himmel, ohne dass man den »Natzl« jauchzen hörte auf der Weiden oder in den Wäldern von Alpl. 

Den Ignatz soll nie jemand trotzig oder zornig gesehen haben, mit jedermann war er gemütlich und verträglich, die Alpelbauern sagten viel später noch, einen besseren Nachbar kann sich kein Mensch wünschen, als es der Natzl gewesen ist. Bekannt war er als Kinderfreund und wo ihm auf Wegen und Stegen ein Kind begegnete, da tat er sein rotes Lederbeutelchen auf und schenkte ihm einen Kreuzer. Auch selbst war er mit Kindern reich gesegnet, sieben Söhne, Lorenz, Franziskus, Sebastian, Thomas, Anton, Jakob, noch einmal Franziskus, zwei Töchter, Margareta und Katharina, wurden ihm rasch nacheinander geboren; mehrere starben in früher Kindheit. 

Manchmal nahm er auch den einen oder den anderen seiner Knaben mit in die Kirche, was den Kleinen allemal ein Festtag war. 

Views: 43 | Downloads: 0 | The text has 2 recommendations in social networks.

Related search terms

Erinnerung, als, ich, noch, der, Waldbauernbub, war, Sophie-Clark, Autor, Werk

Uploader: sophie-clark

Comment

No comments posted yet.

 

All texts of collection "Peter Rosegger"

Prosa > Nonfiction > MemoriesPeter Rosegger | in: Peter Rosegger | 1843-1918

Als ich noch der Waldbauernbub war Teil 01

more…

Ich bin daheim auf waldiger Flur, mein Hüttchen ist ein grüner Baum, mein Ruhebett der Wiesensaum am Herzen der Natur. Ein Rehlein kommt durch Zweige