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Collection: Gedicht G

Geist und Form

1805-1875, Hans Christian Andersen

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Mein hohes Lied, im Kampf der Zeit erschall'!
Mein Notenblatt sei jetzt das Weltenall!
Des Urgebirges Granit, der Wald, das Meer
sind schwarze Striche darauf kreuz und quer.
Und jeder Strom, ein jeder Felsenhang
ist eine Note zu dem stolzen Sang.
Das Mammuttier, die Blume, im Stein gefunden,
singt uns von einem Leben, das entschwunden,
vom Kampf der Zeit mit engen Lebensschranken.
Vom Streite zwischen Formen und Gedanken.

Wer stieg empor zum blauen Himmelsplan,
und zeichnete den Sternen ihre Bahn?
Wer, als auf Flammenfittigen der Geist,
der Gott im Anschauen seiner Werke preist.
Kopernikus ließ unsre Erde sich drehen,
laut jubelten die Sphären in den Höhen.
Die alten Formen sind wie Spreu zerstoben,
und von der Tiefe drang der Geist nach oben.

Die Erde bebt, wie Glas der Fels zersplittert.
Die Flut durchbricht den Damm, der sie umgittert,
verheerend Stadt und Flur in wilder Wut.
Doch neue Inseln steigen aus der Flut.
Das innere Leben lässt sich nicht bezwingen.
Sieh, aus der Erde Schoß die Wälder dringen.
Des Fixsterns Licht, ob tausend Jahre verstreichen
bei seinem Flug, wird doch die Erde erreichen.
Es kann der Raum den Strahl der Kraft nicht dämpfen,
noch der Titane mit dem Himmel kämpfen.
Verheere Städte tigergleich. Bestreue
mit Salz die Stätte, dass nicht Gras gedeihe.
Sie werden doch im Geist dem Schutt entsteigen!
Stets wird Erinnerung mit des Friedens Zweigen
beschützen, was die Macht der Zeit besiegt.
Der Geist wird bleiben, wenn die Form erliegt!
Stolz bist du, Meer, im wilden Wogendrang.
Allein auch dich des Menschen Geist bezwang.
Du Bild der Kraft, uns dient dein breiter Rücken,
gleich St. Christopher. Auf der Schiffe Brücken
beschreiten wir ihn kühn von Land zu Land,
denn jede Form ist für den Geist nur Tand!
Vom Berg stürzt die Lawine sich herab,
das blühende Städtchen wird ein ödes Grab.
Doch neues Leben keimt, am klaren Bach
erhebt die Hütte wiederum ihr Dach.
Die Berge Lapplands kränzt nur Sumpf und Moor,
doch rote Beeren dringen daraus hervor.
Und urbar wird im Lauf der Zeit die Wüste,
bevölkert jede unwirtbare Küste.
In Urwalds Sumpf erblühen grüne Auen,
und Städte wird der Mensch im Tal erbauen.
Wo Karawanen schmachteten im Sand,
ein Kanaan der späte Enkel fand.
Stets, wenn der Geist den Moses-Stab geschwungen,
ist Lebensquell dem Fels der Form entsprungen!

 


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