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Collection: Paul Scheerbart

Na prost! Teil 02

1863-1915, Paul Scheerbart

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Inhaltsangabe

 

Nachdem sie sich ihre meterlangen Zigarren angezündet haben, freuen sie sich über die Unmenge Proviant. Der ist ja für sechs Männer berechnet gewesen! Sie haben also gerade noch einmal so viel, wie  sie brauchen!

Das ist gar nicht so übel.

Russischer Kaviar in präparierten Kalbslederschläuchen, ausgenommene Schalentiere, eingepökelte Gebirgsschnecken, gedörrte Lachsforellen, Räucherfische, Geflügel, Semmeln, Austern, Narrenwein, meterlange Zigarren und viele andere schöne Sachen in Krügen, Blechbüchsen und Flaschen. Alles ist in Hülle und Fülle da!

«Nicht übel!», rufen sie lachend und qualmen dazu abenteuerliche Rauchwolken gegen die seidenen Polsterwände. Die einzelnen Räume sind im Inneren der Flasche ganz und gar von oben bis unten gepolstert. Prächtige bunte seidene Webereien mit unglaublichen Fabeltieren und Märchenblumen!

Auch die Küche, die Provianträume und die Badestuben sind von oben bis unten gepolstert.

Die Räume haben alle möglichen Formen, doch die Röhrenform herrscht vor.

Elektrisches Licht leuchtet weiß und bunt, wie man es gerade haben will.

In den Polstern ticken prächtige bunte Uhren. Und das kommt den Gelehrten sehr komisch vor, denn was brauchen sie jetzt noch zu wissen, wie spät es ist?

«Es ist tatsächlich», ruft der kluge Passko, «geradezu berauschend, dass wir hier ganz gemütlich im Weltall herumfliegen. Es ist also wirklich so gekommen, wie wir dachten. Durch den Zusammenstoß der beiden Weltkörper hat sich sofort eine so fürchterliche Gasmasse entwickelt, dass wir von dieser Gasmasse einfach fortgeschleudert wurden. Die Schleudermaschine war also eigentlich überflüssig. Aber man konnte ja nicht annehmen, dass die Ballons volle vierzehntausend Meter steigen würden. Es ist zum Verrücktwerden schön, dass wir gerettet sind! Jetzt sind wir nicht mehr Erdenbewohner, wir sind die Geister der achtkantigen Flasche! Na prost, Brüder!»

Hell klingen die hohen spitzen Gläser aneinander. Bald liegt man sich gerührt in den Armen.

«Wir sind endlich von der Erde losgekommen!», brüllt Brüllmeyer in der höchsten Begeisterung.

«Kinder», bemerkt der alte Kusander ernst, «wir wollen aber trotzdem nicht vergessen, dass wir Germanisten sind und deshalb unser altes Leib- und Magenlied singen. Hier in der achtkantigen Flasche muss es ganz merkwürdig klingen.»

Und sie singen:

"Deutschland, du Wunder aller  Zeiten,  

du bist der Traum, die Seligkeit! 
Deutschland, du bist die Perlenblüte
auf unserer Erde grünem Kleid! 
Wir wollen nur für dich erglühen, 
denn du bist dumm und doch gescheit! 
Deutschland, du bist das Land der Tollheit!  

Du bist der Traum, die Seligkeit!"

Und sie weinen.

 

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