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Collection: Adolf Stoltze
Weltstadtbilder Teil 03
1842-1933, Adolf Stoltze
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Von jeher hatte sie das Ungewöhnliche angezogen. Als Kind waren es Akrobaten und Kunstreiter, die durch schillernden Flitter ihre Begeisterung wachriefen, später wandte sie ihr Interesse Kadetten mit Unteroffiziersborten und Gymnasiasten mit bunten Mützen zu. Und jetzt, wo sie Romane, Theaterstücke und Gedichte mit Heißhunger verschlang, standen langgelockte Maler, mit großen Hüten und schäbigen Samtjacken, glattrasierte Schauspieler mit Gipsverbandkrägen und hohlwangige Poeten, mit schiefgetretenen Absätzen in ihrer Gunst. Nur ein Wunsch beseelte sie: Berühmt zu sein oder wenigstens im Kreis berühmter Leute verkehren zu können.
Als Holmer sein Zimmer bezog, wandte sie mehr und mehr ihre Aufmerksamkeit dem neuen möblierten Herrn zu, dem sie von ihrem Fenster direkt in die Stube sehen konnte. Saß er doch den größten Teil des Tages an seinem Schreibtisch, wo er bald emsig mit der Feder arbeitete oder las, bald blauen Ringelwölkchen nachschaute, die er aus dem Rauch einer Zigarette mit Geschicklichkeit zu formen verstand.
»Möchte nur mal wissen, was der für einen Beruf hat«, äußerte wiederholt Emilie ihren Freundinnen gegenüber; aber aller Scharfsinn der fünf Damen reichte nicht aus, diese vielerörterte Frage zu lösen.
Endlich, an einem sonnigen Märztag, als sie bei weit geöffneten Fenstern emsig schneiderten, tat sich das gegenüberliegende Fenster auf, und der rätselhafte junge Mann erschien an der Brüstung, um einige Augenblicke frische Luft zu schnappen.
Emilie legte das Bügeleisen, mit dem sie die Nähte einer Bluse glättete, eiligst beiseite, schaute wie unabsichtlich zum Hof hinunter, wobei sie Holmer mit einem freundlichen Blick streifte, und sagte dann, sich direkt an ihren Nachbarn wendend: »Schöner Tag, heute!«
»Wundervoll!« gab dieser reserviert zurück.
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- Added on Oct 16, 2014 - 01:11 PM
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Weltstadtbilder, Berlin, Novelle, Adolf, Stoltze
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