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Collection: Satire F

Frauen sind eitel. Männer? Nie!

1890-1935, Kurt Tucholsky

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 Das war in Hamburg, wo jede vernünftige Reiseroute aufzuhören hat, weil es die schönste Stadt Deutschlands ist und es war vor dem dreiteiligen Spiegel. Der Spiegel stand in einem Hotel, das Hotel stand vor der Alster und der Mann stand vor dem Spiegel. Die Uhr zeigte genau fünf Minuten vor halb zehn morgens.

Der Mann war nur mit seinem Selbstbewußtsein bekleidet und es war einer jener Ferientages,an denen man sich mit geradezu wollüstiger Langsamkeit anzieht, trödelt, Sachen im Zimmer umherschleppt, tausend überflüssige Dinge aus dem Koffer holt, sie wieder hineinpackt, Taschentücher zählt und sich überhaupt benimmt wie ein mittlerer Irrer.Es ist ein geschäftiges Nichtstun und dazu sind ja die Ferien auch da.

Männer sind nicht eitel. Frauen sind es. Alle Frauen sind eitel. Dieser Mann stand vor dem Spiegel, weil dieser dreiteilig war und weil der Mann zu Hause keinen solchen besaß. Nun sah er sich, Antinous mit dem Hängebauch, im dreiteiligen Spiegel und bemühte sich, sein Profil so kritisch anzusehen, wie seine egoistische Verliebtheit das zuließ und nun richtete er sich ein wenig auf.Eigentlich sah er doch sehr gut im Spiegel aus. Er strich sich mit gekreuzten Armen über die Haut,so wie es die tun, die in ein Bad steigen wollen und bei dieser Betätigung sah sein linkes Auge ganz zufällig durch die dünne Gardine zum Fenster hinaus. Da stand etwas.

Es war eine enge Seitenstraße, und gegenüber, in gleicher Etagenhöhe, stand an einem Fenster eine Frau, eine ältere Frau, die hatte die Gardine leicht zur Seite gerafft, den Arm hatte sie auf ein kleines Podest gelehnt und sie stierte, starrte, glotzte, äugte geradewegs auf des Mannes gespiegelten Bauch. Allmächtiger.

Der erste Impuls hieß den Mann vom Spiegel zurücktreten, in die schützende Weite des Zimmers. So ein indiskretes Frauenzimmer. Aber es war doch eine Art Kompliment, das war nicht zu leugnen.Der Mann wagte sich drei Schritt vor.

Wahrhaftig: da stand sie noch immer und äugte und starrte. Nun , an ist auf der Welt, um Gutes zu tun .und wir können uns doch noch alle Tage sehen lassen.Ein erneuter Blick in den Spiegel bestätigte das.Heran an den Spiegel, heran ans Fenster!

Nein. Es war zu genierlich.Der Mann hüpfte davon, wie ein junges Mädchen, eilte ins Badezimmer und rasierte sich mit dem neuen Messer, das glitt sanft über die Haut wie ein nasses Handtuch, es war eine Freude.Abspülen.Fertig.Wollen doch spaßeshalber einmal sehen...

Sie stand wahrhaftig noch immer da; in genau derselben Stellung wie vorhin stand sie da, die Gardine leicht zur Seite gerafft, den Arm aufgestützt und sah regungslos herüber..

Der Mann ging nun überhaupt nicht mehr vom Spiegel weg. Er machte sich dort zu schaffen, wie eine Maskenbildnerin im Theater,er bürstete sich und legte einen Kamm von der rechten auf die linke Seite des Tischchens; er schnitt sich die Nägel und trocknete sich gründlich hinter den Ohren, er sah sich prüfend von der Seite an, von vorn und auch sonst... ein schiefer Blick über die Straße: die Frau stand noch immer da.

Der Mann, im Vollgefühl seiner maskulinen Siegeskraft, bewegte sich wie ein Gladiator im Zimmer, er tat so, als sei das Fenster nicht vorhanden, er ignorierte scheinbar ein Publikum, für das er alles tat, was er tat,er schlug ein Rad und dann zog er sich, mit leisem Bedauern, an.

Nun war da ein gutgekleideter Herr - die Frau stand noch immer da - er zog die Gardine zurück und öffnete mit leicht vertraulichem Lächeln das Fenster. Und sah hinüber.

Die Frau war gar keine Frau.

Die Frau, vor der er eine halbe Stunde lang seine männliche Nacktheit präsentiert hatte, war ein Holzgestell mit einem Mantel darübe. Leicht begossen schloß der Mann das Fenster. Frauen sind eitel.Männer sind es nie.

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frauen, sind, eitel, männer, nie, kurt, tucholsky

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2 comments

  1. sophie-clark

    Im nächsten Teil:Frauen von Freunden

    Sep 13, 2016 - 04:51 PM

  2. sophie-clark

    Vorheriger Text:Fabel

    Aug 06, 2017 - 04:45 PM

 

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