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Sammlung: Europäische Fabeln D
Die Erde als Mutter und Stiefmutter
o. J., Aesop
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Der Gärtner sprach zu Xanthos: »Bitte, Herr, ich habe eine Belehrung von dir nötig.« »Sprich!«, sagte der Philosoph. Und der Gärtner sprach: »Meister, wie kommt es, daß mein Gemüse, das gut gehackt und gewässert wird, so langsam gedeiht, das aber, was wild wächst und nicht betreut wird, so schnell?« Xanthos hörte dies tiefphilosophische Problem an, fand aber durchaus keine Lösung. Daher sagte er: »Das bewirkt die göttliche Vorsehung.« Als das Äsop mitanhörte, mußte er lachen. Da fragte ihn Xanthos: »Lachst oder verlachst du?« »Ich verlache«, sagte jener, »aber nicht dich, sondern deinen Lehrer. Denn die Weisen sind gerade dazu da, um das Walten der göttlichen Vorsehung zu erklären. Versprich mir die Freiheit, und ich werde das Problem lösen.« Da sagte Xanthos zu dem Gärtner: »Du Witzbold, es schickt sich nicht für mich, der in so vielen Hörsälen disputiert hat, nun hier in den Gärten Rätsel zu lösen. Aber mir folgt hier ein gut bewanderter Sklave. Lege diesem das Problem vor, und er wird es lösen.« Da sagte der Gärtner: »Was? Dieser Mistfink soll die Wissenschaft beherrschen? Wehe mir über mein Pech!« Und zu Äsop sagte er: »Nun wohl, zeig' an, ob du die Sache verstehst!«
Äsop sagte: »Du willst also folgendes wissen: Warum gedeihen die wilden Pflanzen rascher und besser als die, die du in die Erde pflanzst und sorgsam betreust? Nun höre, das ist genau wie bei einer Frau, die eine zweite Ehe eingeht und bereits Kinder aus erster Ehe hat. Wenn nun auch der Mann Kinder aus erster Ehe hat, so zeigt sich die Frau als Mutter gegenüber den Kindern, die sie mitbringt, und als Stiefmutter gegenüber den Kindern, die sie vorfindet. Diejenigen, die sie selbst geboren hat, zieht sie liebevoll groß. Die aber, die fremden Wehen entstammen, haßt sie. Deshalb ist sie mißgünstig gegen sie, beschneidet ihnen die Nahrung und teilt den eigenen mehr zu. Denn die eigenen liebt sie als Gaben der Natur, die des Mannes aber haßt sie, weil sie der Menschensatzung entstammen. Ebenso ist die Natur die Mutter der Pflanzen, die von selbst wachsen, aber die Stiefmutter derer, die von dir gesetzt werden. Deshalb hegt und pflegt sie die eigenen besser als die von dir betreuten. Denn diese sind Stiefkinder für sie.«
Als der Gärtner das gehört hatte, sagte er: »Glaube mir, du hast mich von einem schweren Kummer befreit. Nimm dies Gemüse als Geschenk. Und wenn du wieder etwas brauchst, komm in diesen Garten, als ob er dein eigener wäre.«
- Text-Herkunft: Gemeinfrei
- Text-ID 9195
- Hinzugefügt am 19. Apr 2022 - 08:13 Uhr
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Die-Erde-als-Mutter-und-Stiefmutter, Aesop, Prosa, Epik, Fabel
Einsteller: sophie-clark
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