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Sammlung: Hugo von Hofmannsthal

Alter der Unschuld Teil 02

1874-1929, Hugo von Hofmannsthal

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Seine Augen waren nicht so rund und lachten nicht so und seine Bewegungen waren auch anders, heftiger und hässlicher.

Er dachte nicht weiter darüber nach und behandelte sie wie Indianer oder sprechende Tiere. Als etwas, dessen Existenz man nicht leugnet, dem man aber wahrscheinlich nie begegnen wird. Auch ihre Gespräche waren für ihn nicht von Interesse wie etwas Lebendiges und Verwandtes und für die Spiele, die sie auf der gelben Düne oder auf grünem Gras unter blauem Himmel spielten, hatte er gar keinen Sinn. Trotzdem hatte er das Buch sehr gern. 

Nachmittags, wenn er allein zuhause war, kniete er vor dem Ofen und sah regungslos in das Schwelen und Knistern der Glut und sog den heißen Hauch ein, der um seine Wangen strich, bis ihm die Augen tränten und die Stirn glühte. Dann bog er sich zurück und schrie manchmal, wie in einer Trunkenheit und warf sich auf den Teppich, zuckend und sehr glücklich. Oder er lief in die Küche, die war leer und er schlug mit dem Holzmesser auf den Holzklotz in Zerstörungslust und atemlosem Wohlsein. Dann trank er Wasser in langen schlürfenden Zügen.

An Frühlingsabenden aber, wenn er allein war und die Fenster offen, beugte er sich hinaus und hing lange, mit gepresster Brust, die laue Luft im Haar, bis ihm schwindelte und vor dem Stürzen graute. Dann lief er zu seinem Bett und vergrub den Kopf in die Kissen, tiefeinwühlend, vor seinen Augen strömte es dunkelrot. Seine Schläfen hämmerten und bebende Angst schüttelte ihn.

Aber ihm waren das heimliche Orgien und er liebte die Augenblicke, vor denen ihm graute. Auch mit der Angst im Dunkeln spielte er gern und sich selbst zu quälen, machte ihm Vergnügen. Dazu benützte er spitze Nägel, das heiße Wachs und Blei von Kerzen und geschmolzenen Spielsoldaten, oder auch harte Aufgaben, die er sich stellte, asketische Verzichtsleistungen. Dies alles betrieb er anfangs ohne bestimmten Zweck, aus unklar gefühltem Wohlgefallen an der Macht über sich selbst und weil er seine Empfindungen gleichsam auskostete, wie man eine Traube erst ausschlürft und aussaugt und dann mit den Zähnen presst und zerquetscht, bis dahin, wo ihre Süße herb und bitter wird.

 

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  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 8939
  • Hinzugefügt am 04. Mär 2022 - 15:36 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Alter-der-Unschuld, Hugo-von-Hofmannsthal, Erzählung, Indianer, Existenz

Einsteller: sophie-clark

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