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Sammlung: Büchner, Leonce und Lena

Leonce und Lena (05)

1836, Georg Büchner

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Persönlich Redigiert

LEONCE: Sagen Sie einem höchsten Willen, daß ich alles tun werde, das ausgenommen, was ich werde bleiben lassen, was aber jedenfalls nicht so viel sein wird, als wenn es noch einmal so viel wäre. - Meine Herren, Sie entschuldigen, daß ich Sie nicht begleite, ich habe gerade die Passion zu sitzen, aber meine Gnade ist so groß, daß ich sie mit den Beinen kaum ausmessen kann. Er spreizt die Beine auseinander. Herr Präsident, nehmen Sie doch das Maß, damit Sie mich später daran erinnern. Valerio, gib den Herren das Geleite!

VALERIO: Das Geläute? Soll ich dem Herrn Präsidenten eine Schelle anhängen? Soll ich sie führen, als ob sie auf allen vieren gingen?

LEONCE: Mensch, du bist nichts als ein schlechtes Wortspiel. Du hast weder Vater noch Mutter, sondern die fünf Vokale haben dich miteinander erzeugt.

VALERIO: Und Sie, Prinz, sind ein Buch ohne Buchstaben, mit nichts als Gedankenstrichen. - Kommen Sie jetzt, meine Herren! Es ist eine traurige Sache um das Wort >kommen<. Will man ein Einkommen, so muß man stehlen; an ein Aufkommen ist nicht zu denken, als wenn man sich hängen läßt; ein Unterkommen findet man erst, wenn man begraben wird, und ein Auskommen hat man jeden Augenblick mit seinem Witz, wenn man nichts mehr zu sagen weiß, wie ich zum Beispiel eben, und Sie, e h e Sie noch etwas gesagt haben. Ihr Abkommen haben Sie gefunden, und Ihr Fortkommen werden Sie jetzt zu suchen ersucht.

Staatsrat und Valerio ab.

LEONCE allein: Wie gemein ich mich zum Ritter an den armen Teufeln gemacht habe! Es steckt nun aber doch einmal ein gewisser Genuß in einer gewissen Gemeinheit. -Hm ! Heiraten! Das heißt einen Ziehbrunnen leer trinken. O Shandy, alter Shandy, wer mir deine Uhr schenkte! —
Valerio kommt zurück.

Ach, Valerio, hast du es gehört?

VALERIO: Nun, Sie sollen König werden. Das ist eine lustige Sache. Man kann den ganzen Tag spazierenfahren und den Leuten die Hüte verderben durchs viele Abziehen; man kann aus ordentlichen Menschen ordentliche Soldaten ausschneiden, so daß alles ganz natürlich wird; man kann schwarze Fräcke und weiße Halsbinden zu Staatsdienern machen; und wenn man stirbt, so laufen alle blanken Knöpfe blau an, und die Glockenstricke reißen wie Zwirnsfäden vom vielen Läuten. Ist das nicht unterhaltend?

LEONCE: Valerio! Valerio! Wir müssen was anderes treiben. Rate!

VALERIO: Ach, die Wissenschaft, die Wissenschaft! Wir wollen Gelehrte werden! A priori? oder a posteriori?

LEONCE: A priori, das muß man bei meinem Herrn Vater lernen; und a posteriori fängt alles an, wie ein altes Märchen: es war einmal.

VALERIO: So wollen wir Helden werden! Er marschiert trompetend und trommelnd auf und ab. Trom - trom -pläre plem!

LEONCE: Aber der Heroismus fuselt abscheulich und bekommt das Lazarettfieber und kann ohne Leutnants und Rekruten nicht bestehen. Pack dich mit deiner Alexanders-und Napoleonsromantik!

VALERIO: So wollen wir Genies werden!

LEONCE: Die Nachtigall der Poesie schlägt den ganzen Tag über unserm Haupt, aber das Feinste geht zum Teufel, bis wir ihr die Federn ausreißen und in die Tinte oder die Farbe tauchen.

VALERIO : So wollen wir nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft werden!

LEONCE: Lieber möchte ich meine Demission als Mensch geben.

VALERIO: So wollen wir zum Teufel gehen!

LEONCE: Ach, der Teufel ist nur des Kontrastes wegen da, damit wir begreifen sollen, daß am Himmel doch eigentlich etwas sei. Aufspringend: Ah, Valerio, Valerio jetzt hab ich's! Fühlst du nicht das Wehen aus Süden? Fühlst du nicht, wie der tiefblaue, glühende Äther auf und ab wogt, wie das Licht blitzt von dem goldnen, sonnigen Boden, von der heiligen Salzflut und von den Marmorsäulen und -leibern? Der große Pan schläft, und die ehernen Gestalten träumen im Schatten über den tiefrauschenden Wellen von dem alten Zaubrer Virgil, von Tarantella und Tamburin und tiefen, tollen Nächten voll Masken, Fackeln und Gitarren. Ein Lazzaroni! Valerio, ein Lazzaroni! Wir gehen nach Italien.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 663
  • Hinzugefügt am 27. Mär 2012 - 14:40 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Vormärz, Georg, Büchner, Leonce, und, Lena, Biedermeier, Wiener, Kongress, Fürstenherrschaft, gesellschaftlicher, Stillstand, Parabel, Gesellschaft, Deutschland, 19., Jahrhundert, Satire, Biedermeier

Einsteller: klassiker

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