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Sammlung: Adam Heinrich Müller

Zwölf Reden über die Beredsamkeit und deren Verfall in Deutschland Teil 04

1779-1829, Adam Heinrich Müller

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Jenes große französische Gespräch über die höheren Angelegenheiten des Lebens, das im Jahrhundert Ludwigs XIV. begann, zuvorderst alle ausgezeichneten, kräftigen, besonders aber alle galanten und liebenswürdigen Naturen jener Zeit mit sich fortriß, dann alle Höfe von Europa und von dort aus die Sitten und Meinungen der Völker ergriff, von einer Reihe glänzender Schriftsteller an allen Enden der gesitteten Welt wiederholt von neuem angefacht wurde, und erst seit zwanzig Jahren allmählich zu verlöschen und in ein totes Formenwesen zu zerfallen scheint, wie hätte es sich erhalten und eine Art von Weltherrschaft vorbereiten können, ohne ein gewisses Gesetz des Anstandes, dem sich die verschiedenartigsten Naturen mit Neigung unterwerfen konnten. Es ist dieses Gesetz jenes geheimnisvolle Wesen, womit die Kritik achtzehnten Jahrhunderts sich vielfältig gequält hat, ohne es ergründen zu können. Guter Geschmack wird es genannt, sehr sinnreich und bezeichnend, für eine unbekannte und unbegreifliche Eigenschaft vielmehr der Verhältnisse der Dinge untereinander, als der Dinge selbst. Wir werden es im weiteren Verlauf näher betrachten. Es ist das Element, es ist die gemeinschaftliche Luft, ohne die die höhere französische Konversation nicht zu denken ist.

Ferner, was erhält, was belebt jenes beinahe tausendjährige britische Gespräch über das Recht, die Freiheit und alle Heiligtümer der Menschheit, dessen Herd und Mittelpunkt das Parlament ist, von wo es sich unaufhörlich verbreitet über die Gerichtshöfe und über alle Gemeinden und Familien, und alle Gewerbe und Gespräche jener wunderbaren Insel? Nicht nur, dass sich Charaktere von seltener Vortrefflichkeit und Eigentümlichkeit in jenem Lande begegnet sind, sondern dass früh der Sinn für ein großes Gemeingut erweckt worden ist, worüber alle Parteien einverstanden waren, für die Verfassung nämlich. Dass man über eine gewisse Grundform des öffentlichen Lebens einig war, war die Bedingung des britischen Gesprächs, wie, dass es eine gewisse sittliche, von niemandem bezweifelte Grundform des Privatlebens gab, die Bedingung des französischen Gesprächs, seiner Verbreitung, seiner Belebung.

Kurz, man muss über gewisse Hauptsachen einig, man muss an Geist, an Sinn, an hervorstechender Zuneigung und Abneigung wenigstens von einerlei Art sein, um über das andere recht lebhaft, innig und ohne Ende streiten zu können. Mit dem Türken und allem, was außer der großen europäischen Glaubensverbindung stand, gab es nach den Ansichten unserer Vorfahren keine Negoziation, kein Gespräch und es ist sicherlich ein Sophist und kein Redner, der nicht nur schweigt, aber dem nicht das Talent der Rede ohne Absicht, ohne Vorsatz im Mund verlöscht, wenn mit Leuten sprechen soll, die dieses Gemeinschaftliche verleugnen.

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 8593
  • Hinzugefügt am 18. Sep 2021 - 20:55 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Beredsamkeit, Rede, Adam, Heinrich, Müller

Einsteller: sophie-clark

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