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Sammlung: Johanna Schopenhauer

Gabriele Teil 02

1766-1838, Johanna Schopenhauer

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Aurelia benutzte diese Pause in der heftigen Rede ihrer Mutter, um Gabrieles Ankunft zu melden. »Lass die Cousine von Aarheim an Eugenias Stelle treten«, riet sie, indem sie das bange Kind hinter sich hervorzog und vor den Rahmen stellte. »Die Kleine?«, fragte die Gräfin, sich emporrichtend und Gabriele von oben bis unten mit prüfendem Blick betrachtend. »Nun«, fuhr sie fort, »stehen wird sie ja können, nötigenfalls stellen wir sie auf eine Erhöhung. Willkommen, liebes Kind!« Mit diesen Worten zog sie Gabriele zu sich in den Rahmen, küsste sie auf die Stirn, gab ihr ein goldenes Kästchen in die Hand, stellte sie in die richtige Position und schob sie an den von der Gräfin Eugenia verlassenen Platz, indem sie selbst wieder ihren Thron einnahm. Alle anderen zur Gruppe gehörende Personen reihten sich in gebührender Ordnung um sie.

»Es geht!«, rief hocherfreut die ganze Gesellschaft im Zimmer. »Aber«, setzte lachend Aurelia hinzu, »deliziös sieht es jetzt aus, das blasse Gesicht und das schwarze Kleid mitten in all der bunten Pracht und Herrlichkeit. Doch sei nur getrost, Gabriele, morgen soll es besser werden. Wind und Staub haben dir heute auf der Reise übel mitgespielt, das ist morgen vorüber und ich will dich schon kostümieren.« Die arme Gabriele, die bei all diesen Vorgängen noch kein Wort hatte hervorbringen können, flüsterte jetzt, nur halb hörbar und in großer Beklommenheit, die Frage, was sie denn eigentlich morgen tun solle? »Was du heute tust«, war die kurze Antwort, »hier einige Minuten stehen und das Kästchen halten.«  »Im Traueranzug?«, wandte Gabriele zur großen Belustigung der übrigen ein. Kaum konnte Aurelia vor Lachen dazu kommen, ihr zu sagen, dass sie morgen ohnehin auf einen Tag die Trauer ablegen müsse.

Gabriele blickte sehr ernst um sich. »Wie?«, sprach sie, »die Trauer um meine Mutter ablegen, ehe die Zeit verflossen ist, während der die Sitte mir erlaubt, dieses Zeichen meines Schmerzes zu tragen? Nein, gnädige Tante! Das befehlen Sie mir nicht«, setzte sie mit fester Stimme hinzu, obwohl dabei zwei große Tränen, die schon lange in ihren dunklen Augen geschimmert hatten, über ihre jetzt hochrot erglühenden Wangen herabrollten. »Nur zwei Monate sind es, seit meine Mutter begraben wurde, wie könnte ich ihr Andenken nur eine Stunde verleugnen! Ich kann es nicht, ich werde es nicht, ich will es nicht«, sprach sie höchst entschieden und hob dabei dennoch wie flehend ihre kleinen zarten Händchen empor. Die Gräfin und Aurelia schwiegen eine Weile vor Erstaunen über Gabrieles plötzlichen Mut, ehe sie anfingen, heftig auf das arme Mädchen einzustürmen. Gabriele verstummte, ängstlich blickte sie, wie Beistand suchend, um sich her und erschrak dennoch nicht wenig, als ihr dieser höchst unerwarteterweise zuteil wurde.

 

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  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 7753
  • Hinzugefügt am 03. Feb 2015 - 10:30 Uhr

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Verwandte Suchbegriffe

Gabriele, Johanna-Schopenhauer, Roman, Rahmen, Kästchen

Einsteller: sophie-clark

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