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Sammlung: Als junge Frau im 1. Weltkrieg

Kriegserinnerungen 1914-1917 (26)

1922, Grete Gräper

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Beim zweiten Besuch wanderten wir nach Saritzen, um der Hexe dort einen Besuch zu machen. Sie war 70 Jahre alt, zog mit dem Bettelsack nach Grodno und sah aus wie die Hexe von Hänsel und Gretel. Ihre alte Mutter von 90 Jahren wohnte mit ihr zusammen. Das Haus war jämmerlich. Das Dach war mit Lumpen zugesteckt, die Fenster zum Teil mit Pappe vernagelt. Das Innere glich mehr einem Stall als einer menschlichen Behausung. In der Ecke standen Pritschen, auf denen Lumpen lagen, die die Betten ersetzten. Hühner liefen im Zimmer herum. Auf dem Tisch lagen Speisereste und alle möglichen Geräte. Für einige Zigaretten ließ die Alte sich gern fotografieren; die eigentliche Hexe war  nicht dazu zu bewegen.

Der kleine Winter war Russenvater. Er hatte viele Gefangene zu beaufsichtigen, zu versorgen und ihnen Arbeit zuzuteilen. Wir machten dem Lager eines Tages einen Besuch. Es lag hübsch am Waldesrand. Vor den Baracken hatten die Russen sich kleine Gärten angelegt. Auf Wunsch spielten und sangen sie ihre schwermütigen Weisen, auch ihren Nationaltanz vollführten sie mit großer Geschicklichkeit. Als Lohn erhielten alle Zigarren. Die Freude über die frohen Stunden war so groß, dass sie plötzlich den kleinen Winter fassten, ihn hoch in die Luft warfen und dazu ihr „hoch“ riefen.

Bald darauf folgte das große Soldatenfest in Granditschi, wozu eine ganze Kompanie geladen war. Auf der großen Wiese wurden sie bewirtet mit Kaffe und Kuchen, später mit Bier und Zigarren. Die Soldaten machten Sacklaufen, Tauziehen und viele andere Spiele. Es war zur Frühlingszeit. Alles blühte im Garten. Gegen Abend sangen die Nachtigallen. Wir saßen auf der Terrasse, sahen in die Blütenpracht, tranken Maibowle und genossen die Schönheit um uns. Um 9 Uhr fuhren unsere Wagen ab, reich geschmückt mit Syringen. Das war der letzte Besuch in Granditschi.

Wenige Tage später musste der „kleine Winter“ abreisen; er war von der Schulbehörde seiner Heimat reklamiert. Schweren Herzens nahm er am 15. Mai von uns Abschied. Granditschi war ihm zur Heimat geworden. Aus seiner Vaterstadt erhielten wir einmal Nachricht, dann nichts mehr. Nach Monaten erfuhren wir, dass er nur Tage in der Heimat gewesen sei, dann zum Westen kommandiert wurde, wo er in den ersten Tagen fürs Vaterland fiel. Seinen Tod haben wir tief betrauert.

 

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Einsteller: hennygret

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