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Sammlung: Gedicht P

Poesie

1805-1875, Hans Christian Andersen

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Ein Hauch der Gottheit bist du, Poesie!

Du wurzelst in dem großen Vaterherzen.
Dein Wort ertönt voll Kraft und Melodie,
dein Lächeln lindert mild der Erde Schmerzen.
Dein Kleid ist jeder Sturm, der mächtig braust,
der Wald, der Fels, der blaugewölbte Himmel.
Das tiefe Meer, wo der Leviathan haust,
der großen Städte reges Volksgetümmel.
Verschlossen ist dir nicht des Lebens Buch,
du wohnst am Bach, im Tal, auf hoher Firne.
Durch das ganze Weltall geht dein hehrer Flug,
das Sternendiadem um deine Stirne!
Und wem ein Engel öffnet Auge und Ohr,
der folgt dir kühn auf der Begeisterung Schwingen.
Dem Kind erschließest du des Himmels Tor,
und deine Schätze wird der Mann erringen. 
Zuweilen lauscht die Menge deinem Laut,
wenn der Geschäfte Drang es ihr nicht wehret.
Und der Dozent die Schüler bass erbaut,
wenn er von deinem Wesen sie belehret.
Der große Riesenkörper wird tranchiert,
man hört, wie es der und jener Meister machte.
Wie er die Form behutsam hat poliert
bei allem, was Erhabenes er dachte.
Ein artig Spiel ist Poesie. Ein Mann,
der brav und viel studiert hat, ist der Dichter,
der einen Kirschstein künstlich schnitzen kann,
und spitzig unterscheidet. Denn so spricht er:
»Die Poesie ist nur ein schimmernd Licht,
von außen wird sie in die Form gegossen.
Im Sonnenstrahl, im Nachttau kann sie nicht,
der Pflanze gleich, aus eigenem Inneren sprossen.«
O, glaubt es nicht! Die Dichtkunst wächst im Freien.
Im Treibhaus wird sie nie den Kelch entfalten.
Es ringt in ihr ein mächtiges, glühendes Sein
mit himmlischen und irdischen Gewalten!
Der Sonnenstrahl, der durch die Scheibe geht,
zeigt Millionen Stäubchen euren Blicken,
doch Blumenstaub ist das nicht. Was ihr seht,
sind Alltagsflocken, die mit Glanz sich schmücken.
Vor deinem Hauch wirbelt schön der Staub,
der wellenförmig sich zur Säule rundet.
Die Sonne sinkt, sie wird des Dunkels Raub,
und sie und ihres Daseins Spur entschwindet.
Prometheus gleich, des Dichters Lied ergeht,
es schlägt der Puls der Zeit in seinem Herzen.
Und seine Brust, von Wonneschauer durchweht,
hat Raum für eines ganzen Weltalls Schmerzen.
Er lästert nicht in schönen Melodien,
wird sich als Harlekin der Welt nicht zeigen,
sonst muss die Muse seufzend von ihm fliehen,

in seiner Brust die Götterstimme schweigen.

Die Poesie wird ohne Reimes Band,
wenn echt, als Prosa selbst sich noch bewähren.
Gemeinplatz ist ein falscher Diamant,
er kann den Schmuck der Formen nicht entbehren.
Mag sich die Menge an dem Schein erfreuen,
eenn Dichterlinge ihr die Zeit verkürzen.
Mag sie den falschen Götzen Weihrauch streuen,
sie werden bald vom hohen Sitze stürzen.
Die wahre Muse misst des Himmels Bau,
sie wohnt im Wüstensand, am Wiesenbache,
Im Duft des Veilchens auf der grünen Au,
im Nest des Vögleins unterm Hüttendache.
Sie schweigt an ihres Lieblings stillem Grab.
Er weilt jetzt, wo die Heimat ihr gegründet.
Doch das, was sie durch ihn der Menschheit gab,
das spricht von ihm, denn er hat es verkündet.
Es zeigt der Lenz durch seinen Kampf und Streit,
dass neues Leben aus dem Grabe dringet.
So war, so wird es sein in Ewigkeit,
dass stets der Geist die tote Form bezwinget.
Der Sonnenstrahl formt nicht in freier Luft
der Rose Kelch, mit Purpur übergossen.
Er zeitigt nur, doch zeugt er nicht den Duft.
O nein, dem Inneren ist die Kraft entsprossen!

  • Text-Herkunft: Gemeinfrei
  • Text-ID 9381
  • Hinzugefügt am 07. Aug 2022 - 13:02 Uhr

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